Von der Holzlaube blickte ich hinunter in die Welt. In die Welt, die sie nicht mehr verstehen, wenn sie einmal in der Woche zu ihr hinabsteigen.
Die beiden, in deren Alphütte wir vor dem Regen Unterschlupf gefunden hatten, lachten. Trump! Putin! Wen kümmern die Irren dieser Welt hier oben? Was bewirken die mit ihren Schaumschlägereien und Schleimspuren? Mit Fussbällen, die der eine dem anderen schenkt? Was bringen solche Typen konkret zustande mit ihrem Getwitter, den verbalen Abrechnungen mit jenen, die weniger selbstherrlich als sie selber sind? Was haben sie am Ende des Tages für die Welt getan?
Oh nein, die Älplerin und der Älpler, die uns mit Kaffee und gebackenem Geisskäse bewirteten, sind keinesfalls weltfremd. Sie haben ihr auch nicht den Rücken gekehrt. Sie beobachten sie im Sommer von der Alp herab, und im Winter bereisen sie abgelegene Winkel von ihr mit ihrem Camper.
Zeit für die «Guschti»
Sie haben zwei Dinge, um die ich sie beneide: Distanz und Zeit. Aus der Ferne betrachtet sind grosse und laute Worte inhaltslos; spektakuläre Auftritte sind ein Nichts. Was unten in der Welt für Aufsehen sorgt, wirkt dem Himmel so nah lächerlich.
Was sie den ganzen Tag zu tun hätten, wollten wir wissen. Geissen melken, meinte die Älplerin und wurde von unserer Frage unterbrochen, wie lange sie denn brauche, bis sie den fünf Tieren die Milch entzogen habe. Sie schaute uns staunend an. Das wisse sie nicht, das Melken müsse einfach gemacht werden.
Ihr Mann schmunzelte: Hier oben lerne man, sich Zeit zu nehmen, man sei dazu gezwungen. Neben all den Arbeiten, die den Tag vom Morgen bis zum Abend füllten – Weiden kontrollieren, pflegen und einhagen, Leitungen verlegen und flicken, müsse man sich Zeit nehmen für die «Guschti» und Mutterkühe. «Nimmst du dir diese Zeit nicht, fehlt sie dir nachher umso mehr.» Hier oben mangle es an technischen Hilfsmittel, um ein krankes Tier zu fixieren, falls es behandelt werden müsse. «Da hilft nur Vertrauen.» Das müsse erarbeitet werden, meinte der drahtige Mann: «Ich musste es lernen. Sich Zeit zu nehmen, ist Arbeit, die sich erst später auszahlt. Dann, wenn es darum geht, sich zu kennen und sich dadurch zu vertrauen.» – «Sonst nimmt dich das ‹Guschti› auf die Hörner», sagte seine Frau lachend.
Hinab in die Welt, in der zwei Dinge fehlen: Distanz und Zeit, um sich immer wieder aufs Neue klar zu werden, was überhaupt wesentlich ist. Für die Welt und damit für uns. Denn ohne uns käme die Welt sehr gut zurecht.
Susanne Hochuli ist ehemalige Regierungsrätin der Grünen im Kanton Aargau.
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Die Welt hienieden
Warum es wichtig ist, Distanz und Zeit von oben und unten zu betrachten.