Die wichtigsten Fragen zum Fall Rupperswil
Die jetzt veröffentlichte Anklage liefert neue Details zum Vierfachmord und dem Täter Thomas N.
Am 21. Dezember 2015 hielt ein brutales Verbrechen die Schweiz in Atem. Nach einem Brand in einem Haus in Rupperswil AG entdeckten Feuerwehrmänner vier verkohlte Leichen. Eine 47-jährige Mutter, ihre 13- und 19-jährigen Söhne und die 21-jährige Freundin des ältesten Sohnes. Die Opfer waren gefesselt und geknebelt und wiesen Schnittverletzungen auf. Die Polizei tappte lange im Dunkeln und setzte schliesslich sogar eine Belohnung von 100'000 Franken auf Hinweise aus, die zur Aufklärung der Tat führen könnten. Erst fünf Monate nach der Tat, am 12. Mai 2016, nahmen die Ermittler den mutmasslichen Mörder Thomas N. in einem Café im Aargau fest. Der heute 34-jährige Schweizer legte danach ein Geständnis ab. Viele Fragen zum Fall blieben auch nach der Festnahme ungeklärt. Jetzt ist die Anklageschrift publik und liefert Antworten zu einem der schlimmsten Verbrechen in der Kriminalgeschichte der Schweiz.
Wie gelangte Thomas N. ins Haus der späteren Opfer in Rupperswil?
Der Täter gab sich an der Haustüre als Schulpsychologe aus, hatte eine gefälschte Visitenkarte und ein angebliches Schreiben der Schule bei sich. Er erzählte der Mutter, eine Schulkollegin ihres jüngeren Sohnes habe aufgrund von Mobbing Suizid begangen. Der 13-Jährige sei am Mobbing beteiligt gewesen. Die Mutter glaubte ihm und bat ihn für einen Kaffee ins Haus.
Wie schaffte er es, vier Personen unter Kontrolle zu halten?
Der Täter bedrohte den jüngeren Sohn und zwang die Mutter, ihren älteren Sohn und dessen Freundin zu fesseln. Auch der jüngere Sohn wurde gefesselt und geknebelt. Danach zwang Thomas N. die 47-Jährige, an mehreren Bancomaten Geld abzuheben – insgesamt 10'000 Franken und 1000 Euro. Als sie zurückkehrte, fesselte und knebelte der mutmassliche Mörder auch sie. Er verging sich am jüngeren Sohn und schnitt seinen Opfern die Kehle durch.
Wie kam ihm die Polizei auf die Spur?
Diese Frage beantwortet die Anklageschrift nicht. Bekannt ist, dass die Ermittler Telecomanbieter gerichtlich verpflichteten, ihnen die zum Tatzeitpunkt in der Umgebung erfassten Handydaten zur Verfügung zu stellen. Insgesamt 30'000 Handynummern gelangten mit 48 Antennensuchläufen in die Hände der Strafverfolgungsbehörden. Möglich wäre auch, dass am Tatort gefundene Hundehaare zum Täter führten. Thomas N. besass zwei Alaskan Malamutes. Falls die Ermittler ihn bereits im Verdacht hatten, hätte eine forensische Analyse mit tierischer DNA am Institut für Rechtsmedizin der Universität Zürich ein Beweismittel liefern können.
Was weiss man über die Motive der Tat?
Der Täter hatte sowohl finanzielle wie auch sexuelle Motive. Da Thomas N. keiner Arbeit nachging, reifte in ihm ab Frühling 2015 die Idee, auf andere Weise an Geld zu kommen. In der Anklageschrift heisst es: «Er malte sich aus, ca. 30'000 Franken zu erbeuten, um damit die Zeit bis Sommer 2016 zu überbrücken.» Die bestohlenen Personen würde er umbringen, so sein Plan. Bei eine Hausdurchsuchung fanden die Ermittler 1000 Videos und 10'000 Fotos, die sexuelle Handlungen von Männern mit minderjährigen Knaben zeigen.
Was weiss man sonst noch über den Täter?
Thomas N. lebte mit seiner Mutter zusammen, der Vater ist 2011 verstorben. Der heute 34-Jährige begann verschiedene Studien, von denen er keines abschloss. Seiner Mutter machte er vor, er habe ein Geschichtsstudium mit dem Master abgeschlossen und sei nun als Doktorand an der Universität Bern angestellt. Er erstellte fiktive Zeugnisse und Urkunden von Universitäten – samt Logos und angeblicher Unterschriften von Rektoren und Dekanen der jeweiligen Fakultäten. Seinen Lebensunterhalt finanzierte ihm die Mutter. Thomas N. war während vieler Jahre Juniorentrainer bei einem Fussballverein und vor der Tat weder der Polizei noch den Behörden negativ aufgefallen.
Was tat Thomas N. nach der Tat?
«Das Leben des Beschuldigten verlief weiter wie vor der Tat», heisst es in der Anklageschrift. Das erbeutete Geld habe er unter anderem für Essen, Markenkleider, Tierarztrechnungen für seine Hunde und Krankenkassenprämien benutzt. Und er fuhr zweimal in die Ferien: einmal nach Paris, einmal nach Nauders zum Skifahren. Zudem plante er weitere, gleich gelagerte Verbrechen – ganz konkret. In einem Notizbuch legte er fein säuberlich Bilder von 11 Jungen ab, allesamt zwischen 11 und 15 Jahre alt, versehen mit Namen und anderen Informationen wie Wohnort und Schule. Bei zwei dieser Opfer begab er sich in die Nähe des Wohnorts, spionierte den Tagesablauf der Familien aus und rief sie an.
Wie läuft der Prozess ab?
Der Prozess ist für vier Tage geplant. Am Dienstagmorgen werden zwei Gerichtspsychiater über ihre Gutachten referieren, am Nachmittag wird der Beschuldigte Thomas N. befragt. Am Mittwoch und Donnerstag plädieren die Staatsanwältin und die Verteidigerin sowie die Opfervertreter. Am Freitag fällt das Gericht das Urteil. Der Gerichtsfall findet vor dem Bezirksgericht Lenzburg im Kanton Aargau statt. Aus Platzgründen ist das Gericht in die Räumlichkeiten der Mobilen Polizei in Schafisheim verlegt worden. Neben 65 akkreditierten Medienvertretern wurden noch Plätze für 35 Privatpersonen vergeben, wobei nicht alle Interessen berücksichtigt werden konnten.
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Video: «Warum mussten die vier Menschen sterben?»
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