Showdown zwischen London und Brüssel«Dies ist der finale Würfelwurf»
Am Montag entscheidet sich, ob sich Grossbritannien und die EU in Güte trennen. Ein «No Deal» wäre Gift für die Wirtschaft.

Im Brexit-Streit wollen Grossbritannien und die Europäische Union einen letzten Anlauf unternehmen, um ein Freihandelsabkommen zu erreichen. «Dies ist der finale Würfelwurf», sagte ein britischer Regierungsvertreter am Samstagabend. «Es muss ein fairer Deal geschlossen werden, der für beide Seiten funktioniert.»
Zuvor hatten sich der britische Premierminister Boris Johnson und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in einem Telefonat darauf verständigt, die Verhandlungen trotz erheblicher Differenzen fortzusetzen. London und Brüssel haben ihre Unterhändler David Frost und Michel Barnier aufgefordert, sich erneut um eine Einigung zu bemühen.
Drei Streitpunkte müssen geklärt werden
Am Montagabend wollen sie erneut miteinander sprechen und Klarheit darüber schaffen, ob die drei verbleibenden Streitpunkte bis dahin aufgelöst werden konnten. Ungeklärt sind noch immer die Fangquoten für EU-Fischer in britischen Gewässern, Vorgaben für fairen Wettbewerb zwischen Unternehmen in Grossbritannien und in der EU sowie die Frage, wie Streitfälle geschlichtet werden sollen.
London und Brüssel warfen einander am Wochenende vor, die Verhandlungen mit neuen Forderungen zu überziehen und so eine Einigung zu erschweren. In Diplomatenkreisen wurde dies als sogenanntes «blame game» gewertet, bei dem keine der beiden Seiten an einem Scheitern der Gespräche schuld sein will.
Ohne Handelsvertrag droht in nicht einmal vier Wochen ein harter Bruch: Das Vereinigte Königreich hat die EU zwar bereits Ende Januar 2020 verlassen, aber Bürger und Unternehmen werden das erst Anfang Januar 2021 richtig spüren. Denn zum Jahreswechsel endet die Brexit-Übergangsphase, in der Grossbritannien noch Teil des EU-Binnenmarkts und der Zollunion ist.
Gelingt im Dezember nicht der Abschluss eines Handelsvertrags, werden von Januar an Zölle und Zollkontrollen eingeführt – zum Schaden von Unternehmen und Konsumenten. Die britischen Wirtschaftsverbände haben an die Johnson-Regierung appelliert, einen Kompromiss zu finden.
Umstrittenes Binnenmarktgesetz im Unterhaus
Schon vor dem Wochenende war dieser Montag in Brüssel und London als letzte Frist genannt worden, bis zu welcher klar sein müsse, ob eine Einigung möglich ist. Danach würde ein Abschluss noch schwieriger, weil Johnson an diesem Montagabend sein umstrittenes Binnenmarktgesetz wieder ins Unterhaus einbringen will.
Der Rechtsakt würde Teile des gültigen Austrittsvertrags aushebeln und wird daher von Brüssel als Provokation und Vertrauensbruch angesehen. Würde das Gesetzgebungsverfahren weiterlaufen, wäre das eine enorme Belastung der Gespräche über den Handelsvertrag. Gäbe es auf der anderen Seite bis Montagabend eine Einigung auf ein Abkommen, würde Johnson dieses Gesetz gar nicht mehr benötigen.
Downing Street machte am Sonntag deutlich, dass der Premierminister auch im Fall eines «No Deal»-Szenarios die volle Unterstützung seines Kabinetts habe. Zuvor hatten Brexit-Befürworter in Johnsons Konservativer Partei vor einer Revolte gewarnt, sollte der Premier sich an die EU verkaufen.
Ein britischer Regierungsvertreter erklärte, dass es nur zu einer Einigung mit Brüssel kommen werde, wenn die Europäische Union bereit sei, die Souveränität des Vereinigten Königreichs zu respektieren.
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