«Diese albernen Nähte rund um die Hüfte»
«Yes, I can» – Michelle Obama, die neue First Lady, hat ihren eigenen Fashion-Style. Darauf war Amerika offenbar nicht vorbereitet.
Bisher verhielt sich die First Lady von Amerika in Kleiderfragen so, wie man das von ihr erwartete. Man nannte sie bereits Michelle O., in Anlehnung an Jackie O. Kennedy, die mit ihren Couture-Kostümen und Perlenketten eine ganze Stilepoche prägte. Auch Anwältin Michelle Obama trug bisher schmale, edle Shiftkleider, Dreiviertelärmel beim Kostüm und Perlen um den Hals.
Und nun das! Ein rot-schwarzes Kleid von Designer Narciso Rodriguez, verlaufend wie ein Abendrot über der Südsee, unkonventionell ausbrechend aus dem förmlichen Modediktat einer Präsidentengattin. Der modische Gau und dazu noch in der Wahlnacht! In den amerikanischen Zeitungen überschlagen sich die entrüsteten Kommentare. In der «New York Times» moniert eine Anwältin aus Chicago den desaströsen Fehltritt: «Ich weiss nicht, was schlimmer ist - diese albernen Zickzack-Nähte rund um die Hüfte oder der schwarze Rand, der vom Saum heraufsteigt.» Und auf Modeblogs liest man: «Halloween-Kostüm», «vulkanisierter Vamplook», «Addams-Family-Dress».
Dabei gibt es mindestens drei Gründe, warum man diesen Auftritt modisch wie gesellschaftlich ermutigend finden kann.
Erstens: Das rote Kleid betont wunderbar Michelle Obamas dunklen Teint. Niemand kann Rot besser tragen als Schwarze. Ausserdem ist Rot die Farbe dieses Winters, womit die First Lady modisches Bewusstsein zeigt.
Zweitens: Mit ihrem auffallenden Kleid signalisiert Michelle Obama: Sei, wer du bist, lass niemand anders dir vorschreiben, wie du sein solltest. Ein schon fast politisches Bekenntnis.
Drittens: Ein Stil, wie ihn Carla Bruni trägt - edel-elegant -, passt nicht zu dieser Frau. Bruni war Model und kam aus einer Turiner Industriellenfamilie. Michelle Obama ist die Tochter eines Maschinisten und im Süden Chicagos in einfachsten Verhältnissen aufgewachsen. Es ist bekannt, dass sie ihre Kleider im Grunde gern online und im Versandhandel kauft. Diese erfrischende Botschaft gab sie in der NBC-Show von Jay Leno durch. Eine Stilikone wird sie nicht werden - und das ist gut so.
Man kann sich fragen, warum sie so lange mit ihrem modischen Coming-out gewartet hat. Warum sie sich so lange unter Pillboxes und hinter braven Kostümchen versteckte. Vermutlich wollte sie ihrem Barack im Wahlkampf nicht schaden. Ihr leicht verrücktes Kleid steht für einen Neuanfang, für frischen Wind im White House. Soll doch der Elysée-Palast White House von vorgestern spielen! Michelle wird sich gedacht haben: «Yes, I can.»
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