Diese Länder besitzen am meisten Atomwaffen
Heute treffen sich die fünf grössten Nuklearmächte zum Thema Abrüstung – die Zeichen stehen auf Konfrontation. Wir zeigen, wer aufrüsten will.

In Peking treffen sich diese Tage die fünf Atommächte und ständigen Mitglieder des UNO-Sicherheitsrates – USA, Russland, China, Frankreich und Grossbritannien – zu Gesprächen über die nukleare Abrüstung. Die Zeit drängt. Denn am kommenden Samstag läuft das US-Ultimatum an Russland aus. Die Regierung Trump droht mit einer Kündigung des INF-Vertrags, der atomare Mittelstreckenraketen verbietet, falls Moskau ihren Forderung nicht nachkommt.
Die USA verlangen, dass Russland seine neuen Marschflugkörper vom Typ 9M729 zerstört. Diese können laut US-Angaben mindestens 2600 Kilometer weit fliegen und wären damit in der Lage, nahezu alle Hauptstädte in Europa zu treffen. Die Russen sprechen von einer Reichweite von 480 Kilometern. Sollte es zu keiner Einigung zwischen den beiden Ländern kommen, wäre mit dem INF-Vertrag die für Europas Sicherheit wichtigste Rüstungskontrollvereinbarung Geschichte.
Wie gefährlich der Streit zwischen den beiden Atommächten ist, zeigt ein Blick auf die aktuellsten Zahlen des Friedensforschungsinstituts Sipri. Russland und die USA sind demnach im Besitz von fast 92 Prozent aller Nuklearwaffen weltweit. Die übrigen 8 Prozent teilen sich Frankreich, China, Grossbritannien, Pakistan, Indien, Israel und Nordkorea. Die Welt ist also, wenn man so will, Spielball von gerade einmal neun Ländern.
14'465 Atomsprengköpfe gibt es weltweit, schätzt Sipri. Bei manchen Ländern handelt es sich um Annahmen. Nordkorea zum Beispiel könnte inzwischen bis zu 20 nukleare Sprengköpfe besitzen, wenn man sich auf die Menge an Plutonium stützt, die das Land in einem Forschungsreaktor produziert hat.
Bei Russland und den USA kann sich Sipri auf Daten aus öffentlichen Quellen beziehen. Die beiden Länder haben jeweils über mehr als 6000 Sprengköpfe in ihren Arsenalen. Nur ein Teil davon ist allerdings auch operativ einsetzbar. Russland verfügt über 1600 Sprengköpfe, die bereits auf einen Träger installiert und somit praktisch jederzeit bereit zum Abschuss sind. Die USA können sogar auf 1750 zurückgreifen. Neben Russland und den USA verfügen nur Frankreich und Grossbritannien über sofort einsatzbereite Sprengköpfe.
Beim Rest handelt es sich um Sprengköpfe auf Lager oder solche ausser Betrieb. Diejenigen auf Lager könnten ebenfalls eingesetzt werden, müssten aber erst auf einen Träger installiert werden, was mehr Zeit in Anspruch nimmt. Die ausgemusterten Sprengköpfe warten auf ihre Verschrottung und wurden dafür möglicherweise sogar schon in Einzelteile zerlegt. Würde man sie doch noch einsetzen wollen, wäre damit ein grosser Aufwand verbunden.
Zur Abschreckung der jeweils anderen Seite besitzen Russland und die USA Hunderte atomar einsetzbare Trägersysteme, die ihre Sprengköpfe abschiessen könnten. Am wichtigsten sind Interkontinentalraketen, die von Land beziehungsweise von Abschussrampen aus abgefeuert werden und eine Reichweite von 5500–15'000 Kilometer haben.
Die Amerikaner besitzen mehr von diesen Langstreckenraketen als die Russen. Einen Vorteil haben sie auch bei U-Booten, die in der Lage sind, sogenannte seegestützte Interkontinentalraketen abzuschiessen. Dafür verfügen die Russen über mehr Bomber, die atomar einsetzbar sind, wie ein Überblick zu den strategischen Waffen der beiden Atommächte zeigt.
«Alle Staaten, die Atomwaffen besitzen, haben entweder begonnen, sie zu modernisieren, oder langfristige Programme dafür angekündigt.»
Angesichts dieser Gegenüberstellung fällt es schwer, an eine Entspannung der Situation zu glauben. Tatsächlich ist die Abrüstung der Atommächte in den letzten Jahren ins Stocken geraten. Seit 2013 hat sich die Anzahl der Sprengköpfe gemäss den Daten der Federation of American Scientists gerade einmal um gut 10 Prozent verringert.
Zum Vergleich: Zwischen 1986 und 1991 nahm die Zahl der weltweiten Sprengköpfe, die operativ einsetzbar oder auf Lager waren, innerhalb der gleichen Zeitspanne um fast 24 Prozent ab. Grund war der schon erwähnte INF-Vertrag, den die Russen und Amerikaner 1987 unterzeichneten – kurz nach dem letzten Höhepunkt des Kalten Krieges. Er führte zu einer massiven Abrüstung, die momentan aber nicht mehr so schnell verläuft wie zu Beginn.
Auch in den letzten Jahren ist die Zahl der Sprengköpfe leicht gesunken. Trotzdem deutet für die Friedensforscher von Sipri derzeit nichts auf eine nukleare Abrüstung hin. Denn die neun Atommächte erneuern ihr Arsenal. «Alle Staaten, die Atomwaffen besitzen, haben entweder begonnen, sie zu modernisieren, oder langfristige Programme dafür angekündigt», sagte Shannon Kile von Sipri bei Bekanntgabe der letzten Zahlen.
Die USA wollen nach eigenen Angaben bis 2026 etwa 400 Milliarden Dollar in die Entwicklung von Sprengköpfen, Raketen, Trägersystemen und Produktionsstätten investieren. Bis 2046 könnten sich die Ausgaben gar auf 1,2 Billionen Dollar belaufen. Beim russischen Nuklearprogramm ist ebenfalls ein langjähriger Modernisierungsprozess im Gang, wobei die Kosten nicht klar beziffert werden können.
Das derzeitige Vorgehen steht im Widerspruch zum Abrüstungsabkommen «New Start», das die damaligen Präsidenten der USA und Russlands, Barack Obama und Dmitri Medwedew, 2010 unterzeichneten. «Dieser erneute Fokus auf die strategische Bedeutung nuklearer Abschreckung ist ein sehr besorgniserregender Trend», sagt das Sipri. Echte Fortschritte in Richtung einer atomaren Abrüstung seien so in weiter Ferne.
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