Die VBZ im AdventskalenderEr kennt jede Ecke der Stadt
Seit 25 Jahren ist Roger Hunziker als Busfahrer unterwegs. Er erzählt, wie er Zürich während der Corona-Pandemie wahrnimmt.

«Mehr als 25 Jahre, also fast schon mein halbes Leben, bin ich als Busfahrer in der Stadt Zürich unterwegs. Ich bin gerne im ‹Puff›, mittendrin, wo etwas läuft. Am liebsten fahre ich mit dem 31er vom Kienastenwies zum Bahnhof Altstetten. Ich liebe die Vielfalt, der ich beim Fahren begegne. Man sieht in Echtzeit, wie die Stadt lebt, sich verändert.
Gerade hat zum Beispiel ein italienisches Restaurant beim Manesseplatz seine Weihnachtsbeleuchtung installiert. Sie ist wirklich kitschig, richtig «American Style», aber es macht mir jedes Mal Freude, sie beim Durchfahren zu sehen.
Die meisten reisen jetzt allein
Seit Corona merkt man schon, dass es stiller wurde im Bus. Die Leute sind verschlossener. Es ist zwar schön, dass kaum mehr gegessen oder getrunken wird während der Fahrt, den Dönergeruch vermisse ich definitiv nicht.
Aber alle abgesagten Events schlagen den Menschen auf die Stimmung. Grössere Gruppen, die zusammen ans Oktoberfest gingen, fielen mir immer sofort auf. Ihre Vorfreude freute auch mich immer. Jetzt reisen fast alle allein.
Schade ist auch, dass wir seit der Maskenpflicht die Mimik der Passagiere nicht mehr sehen. Lächelt diese Person mich jetzt an? Ich weiss es nicht. Seit den Handys blicken die Leute schon nicht einmal mehr auf, wenn der Bus einfährt. Es ist ja schön, dass der öffentliche Verkehr von vielen Zürcherinnen und Zürchern als selbstverständlich angesehen wird, trotzdem freuen wir uns, wenn wir beachtet werden.
Ich merkte schnell, der Typ ist allein
Manchmal werde ich in einer Pause angesprochen. Ich glaube, es liegt an der Uniform. Vor kurzem hat ein Mann in einem Café am Wollishoferplatz mit mir ein Gespräch begonnen. Ich merkte schnell, der Typ ist allein, hat wenig Kontakt zur Aussenwelt. Mit Corona noch weniger. Die psychischen Folgen der Pandemie machen mir Angst.
Ich finde, dass man gerade auch trotz Corona nicht alles absagen sollte. Mit einem guten Schutzkonzept funktionieren viele Sachen trotzdem. Zum Beispiel der Weihnachtsmarkt auf dem Sechseläutenplatz: Was ist hier der Unterschied des Risikos zum Gleis 41 während der Stosszeiten?
Ich finde, es wird zu vieles auf Corona abgeschoben. Man muss halt kreativ werden. An meinem Wohnort bin ich in einer Genossenschaft, wir haben zum Samichlaus immer einen Event gemacht für die Kinder. Dieses Jahr geht das wegen Corona nicht. Aber wir haben eine Alternative gefunden: Fünf von uns verkleideten sich als Chläuse und fuhren auf Harleys durchs Dorf. Die Kinder standen an der Strasse, und wir gaben ihnen so ihre Chlaussäcke. So haben sie trotz Pandemie ein bisschen Weihnachten.»
Lisa Aeschlimann ist Redaktorin im Ressort Zürich. Sie schreibt schwerpunktmässig über Sicherheitspolitik, Kriminalität, Polizei und Justiz.
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