Filmhighlights der WocheDieses Filmpaar hat eine Puppe zur Tochter
«Annette» ist ein surreales Musical mit Marion Cotillard und Adam Driver. Zudem empfehlen wir den neuen Matrix-Film und einen Klassiker aus Bangladesh.

Annette
Musical von Leos Carax, F/B/D/USA/J/MEX/CH 2021, 141 Min.
Hier ist ein Filmmusical mit der Musik des Duos Sparks und gedreht vom französischen Regisseur Leos Carax, der «Les amants du Pont-Neuf» gemacht hat und «Holy Motors», wo sich die Hauptfigur unter anderem in ein halb blindes Ungeheuer verwandelte. Wie merkwürdig ist «Annette» wohl geworden? Der Film ist mehr als merkwürdig, nämlich surreal, wir erleben eine Magie der Verstörung.
Henry (Adam Driver) und Ann (Marion Cotillard) lieben sich so sehr, dass sie es kaum glauben können. Er tritt auf der Bühne als Vertreter der Anti-Comedy auf und beschimpft das Publikum, sie ist als Opernsängerin so ziemlich das Gegenteil. Das Kind, das auf die Welt kommt, heisst Annette und ist eine Gliederpuppe, die glockenhell singt wie ein Engel. Es dauert nicht lang, und aus dem Wunder werden Stadionkonzerte und aus der Liebe Düsternis (inklusive Missbrauchsvorwürfe).
Adam Driver und Marion Cotillard spielen auch das Extremste verletzlich und unperfekt, unterstützt von den vermeintlich simplen Melodien der Sparks und ihren hintersinnigen Variationen. «Annette» ist eigentlich alles, Kommentar zu #MeToo, Demontage der Gefühlsmaschine Musical, Reflexion über die zwei Formen der Kunst: Soll man das Publikum erobern und damit zerstören – oder soll man mit ihm in neue Sphären aufsteigen? Leos Carax gelingt erstaunlicherweise beides, er verzaubert uns und macht uns fertig. Wers glaubt, wirds sehen. (blu)
So 26.12., 21 Uhr, Riffraff, Vorpremiere
Ab Do 30.12. im Kino
Aline
Musikfilm von Valérie Lemercier, F/CDN 2021, 126 Min.
Céline Dion? Unzählige Hits, aber ist ihr Leben spannend? Ja, fand die französische Regisseurin und Schauspielerin Valérie Lemercier, und inszenierte eine Art Biopic, mit sich selbst in der Hauptrolle. Sie spielt die Sängerin, computertechnisch zurechtgestutzt, auch als Kind, was gewöhnungsbedürftig ist. Und sie nennt die Hauptfigur Aline Dieu, lässt die Lieder von der Französin Victoria Sio singen und nimmt sich auch biografisch etliche Freiheiten.
Das Verrückte aber: Irgendwie geht das alles auf, es entsteht ein durchaus persönlicher Film, voller Herz und schräger Künstlichkeit. Und einer, der auch denjenigen gefallen kann, die sich nicht für Céline Dion interessieren. (ml)
Abaton, Arena, Capitol, Kosmos
The Quest for Tonewood
Dokumentarfilm von Hans Lukas Hansen, Nor 2020, 87 Min.
Warum stapft ein Geigenbauer zwischen Landminen-Warnschildern durch einen bosnischen Bergwald? Die knappe Antwort lautet: Um einen Baum zu finden. Die ausführlichere liefert der Dokfilm «The Quest for Tonewood». Er begleitet den deutschen Geigenbauer Gaspar Borchardt auf seiner Suche nach dem Holz für ein besonderes Instrument. Und erzählt dabei die Geschichte einer Leidenschaft, die alles sprengt, was man gemeinhin für vernünftig halten könnte.
Er habe sich schon früh in den Klang der Violine verliebt, sagt Borchardt im Film. So sehr, dass er seine Werkstatt in Cremona eingerichtet hat, der Heimat von Stradivari. Er gehört zu den erfolgreichen Geigenbauern dort, aber er wollte mehr: nämlich für die Geigerin Janine Jansen das Instrument seines Lebens herstellen. Aus geflammtem Ahorn, wie ihn einst Stradivari verwendet hatte.
Die besten Bäume dieser Art sollen in Bosnien wachsen, also spürte er dortige Holzhändler auf – und kam in eine Welt, in der der Krieg tiefe Spuren hinterlassen hat. Man macht sich während des Films mehr als einmal Sorgen um Borchardt, der zu offenherzig, zu idealistisch scheint für diese Welt. Aber nach vier Jahren und vielen Rückschlägen hat er sein Holz, baut die Geige, überreicht sie Janine Jansen. Und auch wenn die Übergabe gefilmt wird, also geplant abläuft: Dass ihm beim Zuhören eine echte Träne übers Gesicht läuft, glaubt man sofort. (suk.)
Arthouse Piccadilly
The Matrix Resurrections
Science-Fiction von Lana Wachowski, USA 2021, 148 Min.
Der Film beginnt als ein selbstironischer Kommentar auf die Kulturindustrie: Tom Anderson (Keanu Reeves) ist ein Game-Designer, der vor zwanzig Jahren mit der «Matrix»-Trilogie weltberühmt wurde. Seine Firma gehört Warner Bros., und die Bosse verlangen nun von ihm, dass er eine Fortsetzung der Spiele macht. Sonst stellen sie ihn auf die Strasse. Während er an «Matrix 4» arbeitet, verliert Anderson zunehmend den Bezug zur Realität. Erst recht, als er Tiffany (Carrie-Anne Moss) trifft, die genau so aussieht wie Trinity aus den Games.
So weit ist das sehr unterhaltsam, aber letztlich ist die Ironie scheinheilig: «The Matrix Resurrections» macht sich über den Fortsetzungswahn und die Kommerzialisierung von Nostalgie lustig, obwohl der Film selbst nichts anderes als ein Produkt davon ist. Es spricht jedenfalls für sich, dass darin derart viele Ausschnitte aus der alten Trilogie verwurstet wurden. (ggs)
Abaton, Arena, Corso, Kosmos, Metropol
Der Fluss Titash
Drama von Ritwik Ghatak, IND/BD 1973, 157 Min.
Martin Scorsese und seiner World Cinema Foundation ist es zu verdanken, dass dieser Film aus Bangladesh in einer restaurierten Fassung vorliegt. Die verwickelte Handlung beginnt mit einem Fischer, der bei einem fremden Dorf anlegt und dort mit einer jungen Frau verheiratet wird. Auf der Rückfahrt überfallen Piraten das Boot. Regisseur Ritwik Ghatak verschränkt das persönliche Drama seiner Figuren mit dem Untergang traditioneller Lebensweisen. In beeindruckenden Schwarzweissbildern hält er eine Welt fest, die längst nicht mehr existiert. (ggs)
Auf Filmingo
Muhammad Ali
Dokuserie von Ken Burns, Sarah Burns und David McMahon, USA 2021, 4 Folgen
Was gibt es über den «Grössten» noch zu sagen? Ziemlich viel, wie sich in dieser über siebenstündigen Dokuserie über Muhammad Ali zeigt. Zum Beispiel erfahren wir, dass Cassius Clay, wie der Boxer ursprünglich hiess, Legastheniker war und aus Angst vor dem Fliegen, wenn immer möglich, mit dem Zug reiste. Als er gegen Ende der 50er-Jahre immer grössere Erfolge im Ring feierte, wurde er von elf weissen Superreichen aus Kentucky gesponsert, damit er nicht in die Fänge der Boxmafia geriet.
Die Doku hält zahlreiche solche Überraschungen bereit. Die Inszenierung selbst mag konventionell anmuten, aber die Faszination für diesen Boxer überträgt sich dennoch: Alis Provokationen, seine Kämpfe, seine Sympathien für die Bürgerrechtsbewegung und die Organisation Nation of Islam – hier ist alles drin. Dank Archivaufnahmen von fast allen wichtigen Stationen seines Lebens schlicht ein Must-see. (zas)
Auf Arte.tv
Eddie the Eagle
Komödie von Dexter Fletcher, GB/USA/D 2016, 106 Min.
Am Weihnachts-Open-Air des Xenix können sich die Gäste mit Decken, Glühwein und Chili wärmen. Zu sehen gibts eine Ski-Komödie, basierend auf der wahren Geschichte von Michael Edwards, der 1988 an den Olympischen Winterspielen in Kanada teilnahm.
Edwards, genannt Eddie (Taron Egerton), bewirbt sich als Skispringer, denn als einziger Engländer in der Disziplin qualifiziert er sich automatisch, egal, wie schlecht er ist. Immerhin holt er sich einen Trainer (Hugh Jackman). Mit den historischen Fakten nimmt es der Film nicht allzu genau, aber zum Glück nimmt er sich auch nicht besonders ernst. Als Hommage an die Sportfilme der 80er macht «Eddie the Eagle» jedenfalls sehr viel Spass. (ggs)
Fr 24.12., 18 Uhr, Xenix
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