Djokovic auf der Anklagebank
Der Serbe gilt als treibende Kraft hinter der Absetzung des höchsten ATP-Funktionärs. Spielt er ein doppeltes Spiel?
Am Masters-Turnier in Indian Wells herrscht im Männerturnier Aufruhr, bevor es richtig begonnen hat. Am Donnerstag wurde bekannt, dass der erfahrene und beliebte Brite Chris Kermode Ende Jahr als Vorsitzender und Präsident der ATP abtreten muss. Das Direktorenboard beschloss, seinen Dreijahresvertrag nicht zu verlängern. Zu den vielen Spielern, die das nicht goutieren, gehören Stan Wawrinka, Rafael Nadal, Andy Murray, Grigor Dimitrov und Nick Kyrgios (Roger Federer bezog keine klare Stellung).
Als Drahtzieher dieser «Palastrevolution» sehen viele Novak Djokovic, der als Präsident des ATP-Spielerrats politisch eine wichtige Rolle ausfüllt, dabei aber in den Augen vieler Kritiker mehr seine eigenen Interessen als jene einer Mehrheit der Spieler vertritt.
Der Zufall wollte es, dass er nur Stunden nach dem Entscheid gegen Kermode in Indian Wells seine Pressekonferenz vor dem Turnier abzuhalten hatte. Die Fragen drehten sich aber sogleich um dieses Thema, viele waren für Djokovic unangenehm und er musste sich vorkommen wie auf der Anklagebank. Irgendwann hatte er genug und sagte sarkastisch in die Runde: «Das ist ja eine liebenswürdige Begrüssung. Ich freue mich auch, euch zu sehen.»
Djokovic weicht aus
Der Weltranglistenerste, der meistens klare Meinungen vertritt, wollte Kermodes Abgang nicht kommentieren. «Ich werde mich hier nicht für oder gegen ihn positionieren, denn das käme einem Bruch der Vertraulichkeit gleich», schob er als Rechtfertigung vor. Er bestätigte nur, dass der ATP-Spielerrat beschlossen habe, dass es Zeit sei, eine neue Führung zu suchen. Wer Kermodes Nachfolger wird, ist offen. Der Bewerbungsprozess soll demnächst beginnen.
Djokovic musste zugeben, dass er über die Kermode-Frage mit Nadal und Federer nicht gesprochen hatte. «Wir sprachen mit vielen Spielern und versuchen, sie zu repräsentieren. Aber es gibt viele individuelle Meinungen, und ich respektiere auch die von Rafa.»
Federer hatte schon in Australien erklärt, er werde noch mit Djokovic sprechen. In Indian Wells sagte er, das sei bisher noch nicht passiert. Nadal hatte in Australien erklärt, seiner Meinung nach liege es an Djokovic, ihn zu kontaktieren. Der Serbe konterte gestern: «Wenn sie (Nadal und Federer) etwas wollen, können sie sich auch selber melden.»
Ein Machtkampf
Gerade in britischen Kreisen wird der Fall auf einen Machtkampf zwischen Kermode und Djokovic reduziert. Die beiden kennen sich schon lange, Kermode war früher Chef des Rasenturniers im Londoner Queen's Club, und gemäss Insidern fühlt sich Djokovic von ihm gegenüber Nadal und Federer zurückgestellt. Bekannt ist auch, dass der Serbe das ATP-Finale schon lange gerne aus London in eine andere Stadt verlegen würde, während Kermode den Vertrag mit der 02-Arena immer wieder verlängern wollte. Djokovic monierte auch gestern, dass der Tennissport noch besser vermarktet werden könnte.
Von einem amerikanischen Journalist bedrängt, gab Djokovic zu, dass er die aktuelle Struktur nicht gut findet, mit der die ATP-Tour geführt wird. Das entscheidende Direktorenboard besteht aus je drei Vertretern der Spieler und der Turniere plus dem ATP-Präsidenten, also momentan noch Kermode. Diese Situation ergibt oft eine Patt-Situation, da Turniere und Spieler häufig gegensätzliche Interessen vertreten. Immer wieder war es deshalb Kermode gewesen, der den Stichentscheid hatte. Diese Struktur müsse geändert werden, auch zum Schutze des Präsidenten, sagte Djokovic. Es tönte wie vieles, das er sagte, fadenscheinig und nicht ganz aufrichtig.
Unter den vielen Stimmen, die Kermodes Abgang bedauern, findet sich auch jene von Stan Wawrinkas Coach Magnus Norman: «Das ist ein trauriger Tag für das Tennis», verbreitete er über Twitter. «Dieser Mann hat hervorragende Arbeit geleistet für die Spieler und die Turniere. Ich empfinde grossen Respekt vor ihm.»
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