
Die Universität Oxford hat Tariq Ramadan in den Zwangsurlaub geschickt – und der umstrittene Islamwissenschaftler bedankt sich. «Ich begrüsse die Haltung der Universität», schrieb der 55-Jährige gestern auf Twitter. «Sie verteidigt die Unschuldsvermutung, ohne herunterzuspielen, wie schwer die Anschuldigungen gegen mich sind.»
In der Tat. Zwei Frauen in Frankreich haben ihn angeklagt, sie misshandelt und vergewaltigt zu haben. Die Polizei ermittelt. Nun melden sich immer mehr mutmassliche Opfer. In Genf berichtete die Zeitung «Tribune de Genève» am Wochenende von vier ehemaligen, damals minderjährigen, Schülerinnen, mit denen er in seinem Auto Sex gehabt haben soll.
Wiederholt hat Ramadan sexuelle Reinheit gepredigt. Der Ruf des charismatischen «Vordenkers des reformierten Islam», dem auf Facebook mehr als eine Million Anhänger folgen, dessen Predigten tausendfach verbreitet werden, könnte zerstört werden. Ramadan bestreitet alle Vorwürfe und verteidigt sich mit Klagen wegen Verleumdung.
Dissertation erst abgelehnt
In Frankreich ist Ramadan nicht nur unter Muslimen ein Star. Er war jahrelang Berater der Regierung und in den Medien ständig präsent. Er wurde in Genf geboren und ist ein Enkel von Hassan al-Banna, dem Gründer der Muslimbrüderschaft in Ägypten, Vorläuferin vieler islamistischer Organisationen. Ramadan studierte in seiner Heimatstadt, wo seine Dissertation zu den Muslimbrüdern anfangs abgelehnt wurde. Erst nach Intervention von Jean Ziegler wurde er promoviert.
Eine akademische Karriere gelang dem scharfen Rhetoriker vor allem durch finanzielle Unterstützung aus Katar, das den in Ägypten verfolgten Muslimbrüdern Schutz gewährt. Auch seine Professur in Oxford bezahlt das Emirat. Ramadan setzt sich für einen strengen Islam ein, der aber durchaus auch im Westen gelebt werden kann. Schweizer oder Franzose und gleichzeitig Muslim zu sein, sei kein Widerspruch. Als Erklärer seiner Religion hat er zahlreiche Bücher geschrieben.
Dabei scheint sein fragwürdiger Umgang mit Frauen durchaus bekannt gewesen zu sein. Ramadan sei «ein doppelzüngiges Monster», schrieb die Journalistin Caroline Fourest vor zwei Wochen. Ihr Buch «Frère Tariq» (Bruder Tariq) hatte schon 2004 die Kontroverse um den Prediger und seine Thesen angeheizt. Sie habe seit Jahren von seinen Übergriffen gegen Frauen gewusst, schrieb sie, habe dazu aber schweigen müssen, weil die Betroffenen selbst die Öffentlichkeit fürchteten.
Auch Bernard Godard, einer der führenden Islamexperten Frankreichs, sagte dem Wochenblatt «L'Obs»: «Dass er viele Mätressen hatte, dass er gewalttätig werden konnte, das ja. Aber ich hatte nie von Vergewaltigungen gehört. Ich bin bestürzt.»
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Doppelzüngiger Rhetoriker
Die Universität Oxford hat den Islamexperten Tariq Ramadan beurlaubt.