Dringend Fachkräfte gesucht – wo es jetzt viele freie Jobs gibt
Informatiker braucht die Schweiz. Aber auch andere Berufe sind derzeit gefragt wie lange nicht mehr.
Die gute Konjunktur hat ihre Schattenseiten: Die Lage auf dem Arbeitsmarkt verschärft sich. Studien zufolge fehlen in der Schweiz in den nächsten gut zehn Jahren eine halbe Million Arbeitskräfte. Der Fachkräftemangel wurde vor kurzem in einer Umfrage der Beratungsfirma Deloitte unter den Schweizer CFOs als eines der bedeutendsten Risiken angegeben. Das bestätigt nun der Fachkräftemangel-Index der Adecco-Gruppe Schweiz und des Stellenmarktmonitors der Universität Zürich.
Demnach ist dieser Mangel gesamtschweizerisch und über alle Berufsgruppen hinweg im Jahr 2018 grösser geworden und damit «so stark wie schon lange nicht mehr». Dabei gibt es grosse Unterschiede zwischen den Berufsgruppen. Bei den Ingenieurs-, Treuhand-, Technik- und Informatikberufen herrscht akuter Fachkräftemangel. Laut Adecco-Schweiz-Chefin Nicole Burth fehlen rund 10'000 Ingenieure. Auch im Treuhandwesen sind die Fachkräfte weiterhin enorm rar.
Der Fachkräftemangel für die Berufe der Technik und Naturwissenschaft ist 2018 im Vergleich zum Vorjahr um 9 Prozent und für die Berufe der Informatik um 8 Prozent gestiegen. «Unternehmen haben aktuell bei diesen Berufen Mühe, genügend und gleichzeitig passendes Personal zu finden», erklärt Burth.
Arbeitsschritte werden abgebaut
Ein Grund für die schwierige Situation sei die gute Konjunktur, so Burth. «Wir haben tiefe Arbeitslosenzahlen und ein Umfeld, in dem es schwierig ist, an Fachkräfte heranzukommen.» Hinzu komme, dass sich die Wirtschaft zunehmend digitalisiere und automatisiere. Gewisse routinemässige Arbeitsschritte würden abgebaut, und die Nachfrage nach hoch qualifiziertem Personal steige.
Das zeigt sich etwa am Beispiel eines Logistikzentrums. Heute sind solche Zentren hoch automatisierte Lager. «Es braucht immer weniger Leute, die Ware transportieren und sortieren, dafür aber immer mehr Menschen, die Förderbänder programmieren oder warten», erklärt Burth. Entsprechend steigen die Anforderungen und der Bedarf an Personal in den Mint-Berufen, also Mathe, Informatik, Naturwissenschaften und Technik.
Physiotherapeuten in der Romandie knapp
Auch bei den Gesundheitsberufen ist der Fachkräftemangel überdurchschnittlich hoch. Laut Adecco hat sich die Lage aber nicht verschlimmert. «Vor allem höher qualifizierte Berufe im Gesundheitswesen sind stark gefragt, während Personal für Haus- und Hilfspflegeberufe einfacher zu finden ist», sagt Corinne Scheiber, Leiterin von Adecco Medical Schweiz.
Ärzte fehlten in der ganzen Schweiz, in der Deutschschweiz mangelt es zudem an Hebammen und Pflegefachpersonen. In der französischen Schweiz sind Physiotherapeuten sehr gefragt und kaum zu finden. In der Deutschschweiz ist dieser Mangel weniger akut.
Höhere Löhne und ausländische Fachkräfte
Um Fachkräfte anzulocken, könnten Unternehmen kurzfristig möglichst attraktive Anstellungskonditionen bieten, sagt Helen Buchs vom Stellenmarktmonitor Schweiz der Universität Zürich, etwa in Form von höheren Löhnen. Extrem wichtig sei zudem, mehr Frauen in Mint-Berufe zu bringen und sie dort zu halten, ergänzt Adecco-Schweiz-Chefin Burth. «In vielen Berufen ist es schwierig, wieder einzusteigen, wenn man mal ganz ausgestiegen ist. Es müssen Bedingungen geschaffen werden, damit Frauen und Männer zu jedem Zeitpunkt im Berufsleben bleiben können.» Entsprechend müsste sich das Schulsystem anpassen, etwa mit schweizweiten Tagesschulen und somit besseren Betreuungsmöglichkeiten. Dies helfe, Frauen in Mint-Berufe zu holen. Darüber hinaus falle es Eltern leichter, weiterzuarbeiten, so Burth.
Können Unternehmen Stellen nicht mit inländischen Fachkräften besetzen, sind sie gezwungen, im Ausland zu suchen, sagt Buchs von der Uni Zürich. Ganz so einfach ist das allerdings nicht, denn auch im angrenzenden Ausland herrscht ein Mangel an qualifizierten Fachkräften. Darum sei es wichtig, dass Unternehmen auch Leute aus Drittstaaten einstellen können, um international kompetitiv zu bleiben, so Adecco-Schweiz-Chefin Burth. Nicht überall geht das: «Als Revisor oder Buchhalter ist es besonders wichtig, Schweizer Recht und Rechnungslegung zu kennen, womit es für Unternehmen schwieriger ist, auf ausländische Fachkräfte zurückzugreifen», so Burth.
Langfristig seien Unternehmen gut beraten, stärker in Aus- und Weiterbildung ihrer aktuellen und potenziell zukünftigen Mitarbeitenden zu investieren, so Buchs von der Universität Zürich.
Zu viele Büroleute
Es gibt in der Schweiz allerdings nicht nur einen Mangel an Fachkräften, sondern auch Berufe mit einem Überschuss. Hier suchen mehr Personen einer Berufsgruppe nach einer Stelle, als dass es Vakanzen gibt. Bei Büro- und Verwaltungsjobs, also unter Personalfachleuten oder kaufmännischen Angestellten, ist das der Fall. Von allen ausgeschriebenen Stellen sind nur sieben Prozent in diesem Bereich, während 11 Prozent der registrierten Stellensuchenden aus diesen Berufen kommen.
Im Vergleich: 13 Prozent der Stellenausschreibungen sind im Bereich Technik und Naturwissenschaften, aber nur 3 Prozent der Stellensuchenden sind in diesem Bereich tätig.
Bei den Bürojobs sei davon auszugehen, dass insbesondere Tätigkeiten, für die es geringere Qualifikationen braucht, der Digitalisierung zum Opfer gefallen seien, sagt Buchs von der Universität Zürich. «Eine Weiterbildung dürfte sich für Leute in diesen Berufen deshalb besonders lohnen.»
Einen komplett neuen Beruf erlernen
Auch bei Lehrern und Sozialarbeitern gibt es mehr Stellensuchende als freie Stellen. Hier ist das Fachkräfteüberangebot im Vergleich zum Vorjahr allerdings etwas zurückgegangen.
Im Gastgewerbe, in den Berufen der Reinigung sowie der Hauswirtschaft besteht schweizweit ein besonders grosses Überangebot. Im Gastgewerbe sind nur acht Prozent aller Stellenanzeigen ausgeschrieben, 21 Prozent der registrierten Stellensuchenden kommen aber aus dieser Berufsgruppe.
Deshalb gilt Adecco zufolge für diese Stellensuchenden: Es könne davon ausgegangen werden, dass sich viele Stellensuchende umschulen oder allenfalls einen komplett neuen Beruf erlernen müssen.
Stellenmeldepflicht nicht genau genug
Da in vielen Berufen mit Fachkräfteüberschuss die Arbeitslosigkeit über acht Prozent liegt, gilt hier seit Juli 2018 die Stellenmeldepflicht. Für Menschen in diesen Berufsgruppen könne dies hilfreich sein, sagt Adecco-Schweiz-Chefin Burth: «Die Schnittstelle zum RAV wurde automatisiert, sodass wir nun besser zusammenarbeiten und sich gleichzeitig die Sichtbarkeit der RAV-Kandidaten bei den Arbeitgebern erhöht hat.» Allerdings seien die Jobgruppen bei der Stellenmeldepflicht noch zu breit gefasst. Eine umfasse beispielsweise Marketingfachleute. «Dies berücksichtigt nicht, dass eine Person im digitalen Marketing kaum zu finden ist, es aber zu viele klassische Marketing-Leute auf dem Markt gibt», so Burth.
Dieser Artikel wurde automatisch aus unserem alten Redaktionssystem auf unsere neue Website importiert. Falls Sie auf Darstellungsfehler stossen, bitten wir um Verständnis und einen Hinweis: community-feedback@tamedia.ch