Drogen, Frauen und russisches Roulette in Ghadhafis Villa
Beim Versuch, die libysche Revolution zu stoppen, setzte Muammar al-Ghadhafi auch auf ausländische Söldner. Einer von ihnen erzählt vom desolaten Zustand der Regierungstruppen und vom Kollaps des Regimes.
Was den Krieg angeht, ist Mario ein Profi: Der ethnische Kroate und Artilleriespezialist aus Bosnien kämpfte nach dem Auseinanderbrechen des ehemaligen Jugoslawien jahrelang auf dem Balkan. Das machte ihn für Muammar al-Ghadhafi interessant, der nach Ausbruch der libyschen Revolution im Februar damit begann, im Ausland Söldner anzuheuern. Mario ging nach Libyen und übernahm das Kommando über eine Ghadhafi-Einheit. Doch schon von Beginn an ahnte er, dass das Regime die Schlacht bereits verloren hatte. «Die Disziplin in der Truppe war schlecht. Ausserdem waren die zu dumm, um irgendetwas zu lernen», beschreibt der 41-Jährige seinen Eindruck gegenüber dem amerikanischen Magazin «Time».
Das sei allerdings nicht weiter schlimm gewesen, bis die Nato mit ihren Luftschlägen begonnen habe. Anfang Juni sei schon ein Drittel seiner Männer zu den Rebellen übergelaufen. Raketen der Nato hätten mehrere direkte Treffer auf regimetreue Truppen gelandet, die «empfindliche Verluste» erlitten hätten. «Aber die Aufständischen waren ebenso schlecht gerüstet, wenn nicht noch schlechter», sagt Mario. Ohne die Intervention des Westens hätte Ghadhafi die Rebellen zerschlagen», lautet seine eindeutige Einschätzung.
Zu Gast bei Ghadhafis Clan
Doch auch weit hinter der Front waren die Brüche im Regime offensichtlich: Das Leben in seiner Festung Bab al-Aziziya war so surreal. Da wurden Partys gefeiert mit Frauen, Alkohol und Drogen», erzählt der Söldner vom Balkan, der von einem Verwandten des exzentrischen Obersts eines Nachts eingeladen wurde. «Ich hätte alles haben können, was ich wollte.» Und er habe Geschichten gehört über Leute, die zum Spass erschossen worden seien. Oder andere, die zum russischen Roulette gezwungen wurden, damit die Anwesenden Wetten abschliessen konnten.
Doch bei dieser Gelegenheit sah Mario auch die Feindschaft zwischen Ghadhafis Söhnen Saif al-Islam und Mohammed. Einmal sei es beinahe zu einem Kleinkrieg zwischen Männern der beiden Brüder gekommen: «Alle waren schwer bewaffnet und beschimpften sich über mehrere Minuten.»
«Jetzt wird es schnell gehen»
«Ich bemerkte auch, dass viele der Libyer ihre Loyalität nur spielten und eigentlich schon im Absprung begriffen waren», sagt er. Viele Offiziere hätten von Beginn an gewusst, dass sie gegen die Nato keine Chance hatten. Mindestens einer, den Mario kannte, stand gar in direktem Kontakt mit den Rebellen in Benghazi.
Seit knapp zwei Wochen ist Mario nicht mehr in Tripolis. Der Freund, der ihn herbrachte, warnte ihn: «Er sagte, es seien Absprachen getroffen worden und dass es jetzt schnell gehen werde.»
Ghadhafi, der «Trottel»
Ein anderer Söldner vom Balkan, ein ehemaliger General der jugoslawischen Armee, verliess Tripolis erst am vergangenen Sonntag, als erste Rebellengruppen bereits einmarschiert waren. Wie Mario habe auch er gespürt, dass das Regime bald fallen werde. «Das ganze System ist kollabiert», sagte er «Time» auf der Fahrt in Richtung Tunesien. «Ich habe seit vier Wochen nicht mehr mit Ghadhafi gesprochen, er hört auf gar niemanden mehr.»
Der Ex-General, der seit vielen Jahren in Tripolis gelebt und ein Geschäft betrieben haben soll, beschreibt Ghadhafi als «Trottel. Man kann nicht gegen die Nato kämpfen und den sturen Verrückten spielen wie dieser Kerl.»
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