Duranadam bewegt sich nicht
Auf dem Istanbuler Taksim-Platz ist jeglicher Protest verboten. Trotzdem stand Künstler Duranadam gestern regungslos da – bis ihn die Polizei verjagte. Doch der stumme Protest findet bereits Nachahmer.
Bewegungslos steht er auf dem Istanbuler Taksim-Platz, die Hände in den Taschen, die Augen unverwandt auf ein riesiges Porträt des türkischen Staatsgründers Mustafa Kemal Atatürk an der Fassade des früheren Kulturpalastes gerichtet. Hinter dem Mann haben sich in einigem Abstand hunderte Menschen versammelt. Sie beobachten den einsamen Demonstranten und die Polizei, die auf dem Taksim-Platz nach der Räumung des angrenzenden Gezi-Parks am Wochenende eigentlich jeden Protest verboten hat.
Erdem Gunduz heisst der Mann, der sich gestern Abend auf dem Platz im Zentrum Istanbuls postierte. Die eigenwillige Protestaktion des Istanbuler Choreographen machte im Internet rasch die Runde. Duranadam, der bewegungslose Mann, heisst er auf dem Kurzmitteilungsdienst Twitter. Wie seine Freunde erklären, will Gunduz mit seiner Aktion trotz des verhängten Versammlungsverbots den Protest fortsetzen. Einen Monat will er auf dem Platz ausharren, nur gelegentlich abgelöst durch seine Freunde, heisst es.
«Er muss allein bleiben»
«Er muss allein bleiben in der Mitte des Platzes, ansonsten wird die Polizei unter dem Vorwand, dass dies eine Versammlung ist, alle vertreiben», sagt Asma, die mit anderen Freunden versucht, die Menge zurückzuhalten, die sich rasch hinter Gunduz versammelt hat. Einige junge Männer ahmen ihn nach und richten ebenfalls bewegungslos die Augen auf das Atatürk-Porträt. Nach der Räumung des Gezi-Parks unter dem massiven Einsatz von Tränengas und Wasserwerfern hatten die Demonstranten angekündigt, über «neue Protestformen» nachzudenken.
Mehr als zwei Wochen hatte die Besetzung des kleinen Parks am Rande des Taksim-Platzes angedauert. Zunächst richteten sich die Proteste nur gegen ein Bauprojekt, für das die 600 Bäume des Parks fallen sollten. Doch angesichts des Brutalität der Polizei und der Unnachgiebigkeit von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan wandten sich die Proteste gegen die Regierung selbst. Die Demonstrationen, die sich rasch auf andere Städte ausweiteten, werfen Erdogan autoritäres Verhalten und die Ignorierung abweichender Meinungen vor.
Einen Monat wollte Gunduz auf dem Taksim bleiben, doch am späten Abend schreitet die Polizei ein. Dutzende Polizisten strömen auf den Platz. Während Gunduz im Kreis seiner Unterstützer entkommen kann, werden etliche andere festgenommen und in einem Bus der Polizei fortgebracht. Nach kurzer Zeit ist alles vorbei. Doch die Aktion bleibt nicht ohne Folgen. Heute Morgen steht bewegungslos eine junge Frau auf dem Taksim-Platz und liest ein Buch – die Augen mit einem Tuch verbunden.
AFP/rbi
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