Ein Bergkristall mit 50 Betten
Die neue Schwarzensteinhütte mit dem Kupfermantel zeigt: Südtirol setzt im Hochgebirge Zeichen.

Am schönsten ist das Ankommen. Dass darin der tiefere Sinn des Bergsteigens liegt, zeigt sich beim Erreichen der Schwarzensteinhütte. Nach 1550 Höhenmetern, vier kräftezehrenden Stunden steilen Aufstiegs durch viel Geröll und über die jämmerlichen Reste eines Gletschers erscheint die Hütte wie eine rettende Insel. Als ein Sinnbild von Wärme und Geborgenheit.
Im letzten Sommer ist die neue Schwarzensteinhütte auf 3026 Meter über Meer im Südtiroler Teil der Zillertaler Alpen eingeweiht worden. Drei Millionen Euro kostete das sechsgeschossige Gebäude den Bauherrn, die Autonome Provinz Südtirol. Im Vorfeld war viel über die Frage diskutiert worden, wie und was eine Schutzhütte heute sein soll. Eine Bergunterkunft mit Matratzenlager und holzgetäferter Stube, eng und trotzdem gemütlich? Oder ein modernes Niedrigenergiegebäude, schlicht und funktional?
«Die Luft während der Vorbereitungsphase war im Tal viel dünner als auf der Baustelle oben», erklärt Helmut Stifter in seinem Büro in Pfalzen, das er zusammen mit Angelika Bachmann leitet. Das Architektenpaar hatte den Wettbewerb zur Errichtung der neuen Schwarzensteinhütte gewonnen. «Via Lokalpresse und die sozialen Netzwerke fuhr ein Shitstorm über uns», erzählt Stifter. Den Kritikern sei es um Tradition gegangen, um das angeblich zum Fenster hinausgeworfene Geld, um die Identität Südtirols, die durch eine «Betonburg» im Hochgebirge ernsthaft gefährdet würde.
Der Bau will gesehen werden
Dabei bestehen nur die beiden Untergeschosse aus Betonfertigteilen. Die vier restlichen Stockwerke sind aus heimischem Fichtenholz gezimmert, eingepackt in einen Schutzmantel aus Kupfer. Das Metall war im Ahrntal, wo der Aufstieg beginnt, jahrhundertelang abgebaut worden. Auf einem Bergrücken zwischen dem Rotbachtal und dem Trippbachtal, hundert Höhenmeter über der alten Hütte, steht nun die neue. Der Kupfermantel ist bereits nachgedunkelt. Kein Zweifel, dieser überdimensionale Bergkristall will gesehen werden. Ein Neubau war nötig geworden, weil der Permafrostboden unter der tiefer gelegenen alten Hütte langsam aufgetaut war.
«Man fühlt sich wie auf der Kommandobrücke eines Ozeandampfers.»
Wer erstmals den grossen Gastraum betritt, staunt: Ein zwei Meter hohes Fensterband durchzieht alle drei talseitig ausgerichteten Wände. Man fühlt sich wie auf der Kommandobrücke eines Ozeandampfers, nur dass man auf Dreiherrenspitze, Grossvenediger und die Riesenfernergruppe zusteuert. Noch hat man das verdiente Bier nicht ausgetrunken, da öffnet eine der Mitarbeiterinnen zwei Fenster, um zu lüften. «Die Sonne heizt den Raum durch die Scheiben auf, zu viel ist aber zu viel», erklärt sie.
Energie ist in einer so exponierten Hütte ein wichtiges Thema. 80 Prozent des Hüttenvolumens sind gut isoliert und unbeheizt, alles andere würde sich nicht rechnen, so Günther Knapp, der die neue Unterkunft in der ersten Saison als Hüttenwart betreut. Er führt stolz die in den beiden Kellergeschossen eingebaute Energiezentrale vor: zwei Dutzend grosse, eckige Batterien, die von einer Fotovoltaikanlage auf dem Dach gespeist werden. Bei Schlechtwetterphasen springt das Dieselkraftwerk im Nebenraum für Heizung und Licht ein. Aus der alten Schwarzensteinhütte, die er vier Jahrzehnte geführt hatte, nahm Günther Knapp nur das kleine Holzkreuz mit Christusfigur mit. Es hängt jetzt im Gastraum hinter der Theke.
Schon der zweite moderne Hüttenneubau
In die Planung der neuen Hütte hatte man Knapp einbezogen. Nun steht sie auf hartem Fels, nicht mehr auf Permafrostboden. Knapp hat einen grossen, doppelten Windfang angeregt, wo die Bergsteiger, wenn sie angeseilt und mit Steigeisen ankommen, geschützt vor Kälte und Wind die Knoten lösen und sich umziehen können.
Die Schwarzensteinhütte ist neben der vor drei Jahren eröffneten Edelrauthütte bereits der zweite moderne Hüttenneubau in Südtirol. Das Tourismusland will auch im Hochgebirge Zeichen setzen. In den wunderbar nach frischem Holz duftenden Zimmern ist Platz für 50 Bergsteiger. Die meisten unternehmen von hier aus Touren auf die imposanten Gipfel von Grossem Löffler, Schwarzenstein oder Grossem Mörchner.
Die Wände der Hütte, die Betten und eine grosszügig bemessene Ablage unter dem Fenster sind aus hellem, unbehandeltem Fichtenholz. Und dem in rotes Kunstleder gebundenen Hüttenbuch entnimmt man: Die Mehrzahl der Besucher finden die neue Unterkunft gut – schliesslich nächtigt man in dieser Höhenlage nicht oft in einer architektonisch aufregenden Hütte.
Anreise: Von Bruneck im Pustertal ins Ahrntal bis St. Johann. Vierstündiger Aufstieg ab Gasthof Stallila durch wenig schwieriges Gelände und über Gletscherreste. www.schwarzensteinhuette.com; www.tauferer.ahrntal.com; www.suedtirol.info
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