Ein Duft, der Vertrauen schafft
In vielen Parfümen ist der künstlich hergestellte Duftstoff Hedion enthalten. Eine neue Studie zeigt, dass er unser Verhalten beeinflussen kann.

Auf den ersten Blick sieht der Stoff harmlos aus. Es ist eine farblose, ölige Flüssigkeit mit einem leichten Gelbstich. Mischt man diese recht unscheinbar aussehende chemische Verbindung aus 13 Kohlenstoffen, 22 Wasserstoffen und 3 Sauerstoffen nun mit Alkohol und sprüht sich dies aufs Handgelenk, dann entfaltet sich nach kurzer Zeit ihre volle Wirkung. Denn die im Labor hergestellte Substanz Hedion riecht nach Jasmin und erinnert einen an blühende Magnolien. In vielen Parfümen ist sie auch mit drin, um dem Duftbouquet eine ganz besondere Note zu geben.
Doch Hedion kann noch viel mehr, als nur einen wohlriechenden Geruch zu verbreiten. Der Stoff verändert unser Verhalten gegenüber einer anderen Person, indem er sie vertrauenswürdiger macht. Dies haben Forscher der Universitäten Bern, Köln und Bochum anhand von zwei verhaltensökonomischen Laborstudien herausgefunden, die sie vor kurzem in der Fachzeitschrift «Frontiers in Behavioral Neuroscience» vorgestellt haben.
Geben und nehmen
Ganz nach dem Prinzip «Wie du mir, so ich dir» beeinflusse der Duftstoff Hedion unsere Entscheidungen, erklärt Sebastian Berger von der Universität Bern. Die durchgeführten Experimente mit insgesamt 188 Teilnehmern sind klassische Strategiespiele zwischen zwei Personen, die zum Beispiel am Computer entscheiden müssen, wie viel Geld sie in einen anderen Spieler investieren und welches Risiko sie dabei auf sich nehmen. Am Schluss bekommt der Spieler vielleicht sehr viel mehr Geld zurück, oder aber er geht pleite.
«Die Nase ist ein unterschätztes Sinnesorgan.»
Bei dieser Spielvariante ging es darum, wie seriös und integer jemand seinen Mitspieler einschätzt und ob er ihm praktisch blind einen gewissen Geldbetrag anvertraut. Dagegen stand bei einer zweiten Spielart vor allem unfaires und nicht kooperatives Verhalten im Vordergrund sowie die Frage, wie hoch man den anderen Spieler dafür bestraft.

«Bei beiden Versuchen haben wir Hedion in einer so geringen Konzentration auf eine dünne Unterlage des Computers gesprüht, dass die Probanden während des Tests den Duft nicht bewusst wahrnehmen konnten», sagt Berger. Sie hätten also nicht gewusst, ob sie zu einer der zwei Kontrollgruppen entweder ohne Duft oder mit dem nach Rosen riechenden Phenylethylalkohol gehörten.
Vertrauenswürdigkeit ist eine wichtige Voraussetzung für Beziehungen jeglicher Art, ob geschäftlich oder privat. «Wenn wir einander misstrauen, könnten wir bei einer Bank keine Kredite mehr aufnehmen oder nicht mehr in eine Mietwohnung ziehen», sagt Berger. Erstmals hätten sie jetzt mit den beiden Versuchen statistisch signifikant zeigen können, dass ein Duftstoff tatsächlich Menschen gezielt beeinflussen könne. Und zwar je nachdem, wie derjenige zuvor selbst behandelt worden sei – entweder hin zum Guten oder zum Schlechten.
Mythos aus dem 19. Jahrhundert
In der Nasenschleimhaut gibt es zwei völlig verschiedene Systeme der Detektion chemischer Substanzen, wobei das eine auf Riechstoffe und das andere auf Pheromone spezialisiert ist. Bei den Riechstoffen binden Geruchsstoffe an Rezeptoren der Riechzellen und lösen dort Nervensignale aus. Die Nase besitzt rund 400 verschiedene Duftrezeptoren. Durch deren vielfältige Kombination ist es möglich, unendlich viele Duftmischungen zu unterscheiden. Trotzdem wird der Geruchssinn permanent unterschätzt, wie der US-Forscher John McGann vor drei Wochen im Fachjournal «Science» schrieb. Der Mensch könne jedoch sehr gut Duftstoffe identifizieren.
McGann macht deutlich, dass die verbreitete Meinung vom «schlechten Geruchssinn» auf einen Mythos aus dem 19. Jahrhundert zurückgeht. Denn beim Menschen ist das Riechzentrum relativ gesehen kleiner als etwa bei Mäusen. Mit dieser Feststellung habe der französische Neuroanatom Paul Broca im 19. Jahrhundert den Grundstein für das Vorurteil gelegt, dass der menschliche Geruchssinn unterentwickelt sei.
Auch der Biologe und Mediziner Hanns Hatt von der Ruhr-Universität Bochum, der seit vielen Jahren die physiologische Wirkung von Duftstoffen erforscht und ebenfalls an der aktuellen Hedionstudie beteiligt war, ist der Überzeugung, dass die Nase ein unterschätztes Sinnesorgan ist. Das Gehirn analysiere mithilfe der Riechzellen jeden Geruch und speichere ihn zusammen mit den dazugehörigen Bildern und Emotionen ab. «Wenn wir einen Duft wieder aufrufen, wird auch die dazugehörige Stimmung wiederholt», betont Hatt.
Doch Hedion ist mehr als nur ein gewöhnlicher Duftstoff. In einer früheren Studie hat Hatt unter anderem nachgewiesen, dass diese künstlich hergestellte Substanz in unserer Riechschleimhaut den Pheromonrezeptor VN1R1 aktiviert, der sich stark von einem gewöhnlichen Duftrezeptor unterscheidet. Insgesamt hat der Mensch nur noch 5 funktionsfähige Pheromonrezeptoren, während die Maus rund 300 hat.
Frauen reagieren stärker
Pheromone sind Botenstoffe, die der chemischen Kommunikation zwischen Lebewesen der gleichen Art dienen. «Sie steuern und beeinflussen das Verhalten der Tiere», sagt Hatt. Wenn beispielsweise eine läufige Hündin ein Revier markiere, folge ein Rüde dieser Duftspur und versuche, die potenzielle Partnerin sofort ausfindig zu machen. Der männliche Hund sei darauf programmiert und könne gar nichts dagegen tun. Der Hund würde dafür sogar sein Lieblingsfutter stehen lassen, betont der Bochumer Forscher.
Die neuen Ergebnisse veranschaulichen, dass es nicht nur beim Tier, sondern auch beim Menschen eine Pheromonwirkung geben könnte. Denn die Studienteilnehmer reagierten bei den zwei Spielen unter Einfluss von Hedion eindeutig freundlicher auf Freundlichkeit beziehungsweise unfreundlicher auf unangebrachtes Verhalten. Derzeit testen die Forscher, ob sie auch bei dem ebenfalls künstlich hergestellten und in Parfümen sehr beliebten Duftstoff Iso E Super ein solches Reaktionsmuster feststellen können.
Der Duftstoff Hedion, der nach dem griechischen Wort «hedone» für Vergnügen, Genuss, Lust benannt wurde, hat es tatsächlich in sich. Hatt hat gemeinsam mit Forschern in Dresden bei einer früheren Studie herausgefunden, dass dieser besondere, jasminartige Geruch im Gehirn sogar ein spezifisches Aktivierungsmuster erzeugt, das bei natürlich vorkommenden Riechstoffen sonst nicht entsteht.
So sprach ein spezieller Bereich des Hypothalamus auf Hedion bei Frauen sogar zehnmal stärker an als bei Männern. «Dieses Hirnareal ist an der Regulation der Hormonausschüttung beteiligt, zu denen unter anderem auch die Zyklushormone wie etwa Progesteron gehören», sagt Hatt. Darüber hinaus aktivierte Hedion bei Frauen wie auch bei Männern die klassischen Hirnareale, die auch beim Geruch einer Rose erregt werden.
Ein eigenes Universitätsparfüm
«Wie wir uns fühlen, hängt ganz wesentlich von der Nase ab», sagt der Bochumer Duftexperte, der sein ganzes Wissen für die Kreation Knowledge weitergab – das weltweit erste Parfüm einer Universität, das neben Hedion auch andere wissenschaftlich untersuchte Komponenten enthält, die insbesondere auch die geistige Frische und Konzentration fördern sollen, aber auch entspannend wirken.
«Die Menschen sollten ihre Umwelt viel stärker durch Gerüche wahrnehmen», empfiehlt Hatt. Diese bei vielen brachliegende Fähigkeit könne man gezielt trainieren und sei eine Bereicherung. Ähnlich wie Unterrichtsstunden im Singen, im Musizieren oder im Zeichnen wäre es gut, auch welche im Riechen anzubieten. Zwar würde man vielleicht nicht gleich zur «Supernase» werden, doch durch Üben könne man die unglaubliche Vielfalt der Welt der Düfte entdecken.
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