Ein Gesuch, das nicht gut ankommt
Zürich–Bern für 12 Franken: Roman Schmucki will mit seiner Glattbrugger Carfirma den Fernverkehr aufmischen. Wie die Branche reagiert.

Irgendwann hat sich wohl jeder einmal gefragt, weshalb es in der Schweiz kein Fernbussystem gibt. In Grossbritannien etwa werden grössere Distanzen meist in Coaches überwunden. Klar, die SBB und anverwandten Bahngesellschaften sind hierzulande beliebt – und vor allem: gut und leistungsstark. Ebenso wichtig war aber, dass die Politik ihre schützende Hand über die SBB hielt und Carunternehmen nur Strecken mit ausländischer Destination erlaubte.
Dies scheint sich zu ändern. Auslöser war ein Zeitungsinterview: «Busse könnten auf stark ausgelasteten Bahnstrecken ein Zusatzangebot für Kunden sein, die etwas mehr Zeit haben und dafür weniger zahlen möchten», sagte Peter Füglistaler im letzten Herbst. Und: «Konkurrenz tut der Bahn gut.»
«Konkurrenz tut der Bahn gut.»
Der Direktor des Bundesamts für Verkehr (BAV) hat damit ein Tabu gebrochen und die Transportbranche aufgeschreckt. Diese hatte sich mit dem Status quo abgefunden. Hauptziel war, dass der deutsche Fernbusriese Flixbus nicht innerhalb der Schweiz Fuss fassen kann.
Branche ist überrascht
«Diese pointierte Aussage war in dieser Form bis vor wenigen Monaten nicht zu erwarten», sagt etwa Stefan Huwyler, Leiter Personentransport beim Nutzfahrzeugverband Astag, zum Füglistaler-Zitat. Bis 2016 sei die Schweizer Busbranche davon ausgegangen, dass Gesuche für überregionalen privaten Busverkehr in Konkurrenz zu bestehenden ÖV-Angeboten chancenlos seien. Sprich: vom BAV keine Bewilligungen erteilt würden. «Entsprechend wurden keine Gesuche gestellt», so Huwyler weiter.
Jetzt geht es in eine andere Richtung. Letztes Jahr wurde als erste Inlandstrecke die Route Genf–Neuenkirch LU bewilligt. Die Fahrgäste von Bus Kantic müssen aber ein Billett mit ausländischer Destination vorweisen können. Start- oder Zielpunkt Neuenkirch ist eine Autobahnraststätte und als Zubringer definiert. Zuvor waren bloss saisonale Bewilligungen für Strecken zwischen Flughäfen und Wintersportorten erteilt worden.
Preiskampf angesagt
Domo Reisen reagierte als erstes Carunternehmen auf den Kurswechsel von BAV-Chef Füglistaler und geht nun aufs Ganze. Bereits im letzten November hat die Carfirma mit Sitz in Glattbrugg ein Gesuch für die Strecke St. Gallen–Zürich–Flughafen Genf eingereicht. Die Domo-Cars mit rund 70 Sitzen sollen je zweimal hin- und zurückfahren. Und kürzlich wurden weitere Gesuche für die Strecken Basel–Bern–Brig und Basel–Zürich–Chiasso eingereicht, mit je einem Kurs pro Tag. Domo Reisen will die Fahrt von Zürich nach Basel für 9 Franken verkaufen und Zürich–Bern für 12 Franken. Das ist rund die Hälfte eines SBB-Tickets mit Halbtaxabonnement. Ein Kampfpreis.
Deswegen ist Domo Reisen in der Branche nicht sonderlich beliebt. Konkurrenten lästern über «Dumpingpreise» und «mässigen Service», wollen aber nicht namentlich genannt werden. An den Domo-Gesuchen hat kaum jemand Freude. Ein Kenner sagt, Domo Reisen sei ein wirbliges Unternehmen und dessen Chef Roman Schmucki das Enfant terrible der Carszene.
Schmucki selbst sieht sich nicht so, sondern schlicht als Unternehmer. Der 53-Jährige hat die 1960 gegründete Firma, welche einst vor allem Werbefahrten organisierte, gekauft. Heute bietet sie vor allem Fernreisen an, etwa an die Costa Blanca oder an die italienischen Mittelmeerküsten. Domo Reisen hat heute 18 Busse und beschäftigt rund 100 Mitarbeiter. Gemäss eigenen Angaben werden jährlich 120'000 Fahrgäste befördert.
Kritik am Service
Passagiere haben schon missliebige Begegnungen mit Domo Reisen gemacht, wie zwei Recherchen der SRF-Radiosendung «Espresso» und des TV-Konsumentenmagazins «Kassensturz» gezeigt haben. Dabei ging es um eine kurzfristig abgesagte Busreise nach Savona (I) und eine von Domo Reisen vermittelte Bernina-Express-Zugfahrt, welche statt im gebuchten Panoramazug im Regionalbummler absolviert werden musste.
Auch beim Ombudsmann der Reisebranche ist Domo Reisen keine unbekannte Grösse. Gemäss Franco Muff handelte es sich bei den Kundenbeschwerden nicht um gravierende Fälle, sondern um «Missverständnisse mit ärgerlichen Folgen». Die Reiseprogramme mit unklaren Angaben machten «nicht immer den besten Eindruck», so Muff. «Aus unserer Sicht handelt es sich um einen Anbieter im Tiefpreisbereich, was sich auch zuweilen im Service im Aftersales bemerkbar macht.» Wenig erfreut ist Muff auch über die Tatsache, dass Domo Reisen in keinem Schweizer Garantiefonds abgesichert zu sein scheint. Das sei eine gesetzlich vorgeschriebene Notwendigkeit bei Pauschalreisen, ist aber nicht Bedingung bei Linienbusfahrten, schränkt Muff ein.
Branche fürchtet Flixbus
Die Astag will keine Stellung nehmen zu den Gesuchen ihres Mitglieds Domo Reisen. Der Nutzfahrzeugverband äussert sich aber grundsätzlich negativ zu einer Liberalisierung des überregionalen Busverkehrs. Er befürchtet, dass das sogenannte Kabotageverbot aufgeweicht wird. Dieses verhindert, dass ausländische Carunternehmen wie Flixbus mit ihren Fahrzeugen Passagiere innerhalb der Schweiz befördern. «Eine Gutheissung der gestellten Gesuche kann sicherlich Symbolcharakter für die weitere Entwicklung haben», warnt Astag-Kadermann Stefan Huwyler. Die Astag ist in Bern politisch bestens verankert. Zentralpräsident ist SVP-Nationalrat Adrian Amstutz.
«Eine Gutheissung der gestellten Gesuche kann sicherlich Symbolcharakter für die weitere Entwicklung haben.»
Beobachter sind nun gespannt, ob die offensiven Worte von BAV-Chef Peter Füglistaler Rückhalt bei dessen Chefin, Bundesrätin Doris Leuthard, finden. Gemäss BAV werden die Domo-Gesuche innerhalb dreier Monate behandelt. Sprecher Gregor Saladin spricht von einem «Präzedenzfall» für die Schweiz. Bei einem Okay könnten die betroffenen Kantone und Transportunternehmen wie die SBB den Fall ans Bundesverwaltungsgericht weiterziehen. Im Falle eines Neins des BAV könnte sich auch Domo Reisen juristisch wehren. Es ist also gut möglich, dass Gerichte den Fernbusstreit entscheiden.
Video – mit dem Fernbus unterwegs sein liegt im Trend.
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