Ein «gutgläubiger Rentenempfänger»
Jürg Leuthold hat zwar zu Unrecht IV-Renten erhalten. Er muss sie aber nicht zurückzahlen. Dafür hat er seine Altersvorsorge verloren.
War der ehemalige SVP-Kantonsrat ein Scheininvalider? Die Antwort ist so kompliziert, dass eine Nachrichtenagentur ihren Text zu den zwei Bundesgerichtsurteilen im Laufe des gestrigen Tages gleich zweimal präzisieren musste. Angesichts der zahlreichen Operationen und Rehabilitationen, die Leuthold über sich ergehen lassen musste, kann jedenfalls nicht von einem Simulanten gesprochen werden.
Nur: Eine Gesundheitsschädigung sowie die damit verbundenen Schmerzen allein genügen noch nicht, dass ein Anspruch auf eine IV-Rente besteht. Entscheidend ist, ob und in welchem Umfang es einem Betroffenen trotzdem noch zumutbar ist, eine Erwerbstätigkeit auszuüben. Und dabei kamen verschiedene Ärzte und Gutachter im Fall Leuthold zu unterschiedlichen Ergebnissen.
Das Bundesgericht, wie zuvor schon das Zürcher Sozialversicherungsgericht, schloss sich dabei der Meinung eines Gutachters an, der als einziger behauptet hatte, Leuthold sei – von wenigen Ausnahmen abgesehen – seit 1997 immer arbeitsfähig gewesen. Aus allen Gutachten könne man zwar auch ein anderes Fazit ziehen, meinte das Bundesgericht. Aber was das Zürcher Gericht feststellte, sei auch «nicht offensichtlich unrichtig». Folge: Die von der IV-Stelle seit 1. Dezember 1998 ausgerichtete Rente war zu Unrecht ausbezahlt worden.
Trotzdem muss Leuthold die Rente der IV-Stelle nicht zurückzahlen. Warum? Laut Sozialversicherungsrecht darf die Aufhebung einer Rente «nur für die Zukunft erfolgen». Eine Rückforderung ist ausgeschlossen, wenn der Versicherte «die Leistung weder unrechtmässig erwirkt noch die Meldepflicht verletzt» hat. Ohne nähere Begründung hielten die Bundesrichter Leuthold für einen «gutgläubigen Rentenempfänger».
Altersvorsorge verrechnet
Im Invaliditätsfall muss nicht nur die IV-Stelle zahlen, sondern auch die Pensionskasse des Betroffenen. Gestützt auf das erwähnte Gutachten hatte die Kasse die Rentenzahlungen eingestellt. Weil keine Invalidität vorlag, bestand auch keine Leistungspflicht. Deshalb forderte die Kasse die ausbezahlten 164'000 Franken zurück. In diesem Fall war eine Rückforderung zulässig, weil es im Reglement der Kasse vorgesehen ist. In der Folge wurde die Forderung mit dem vorhandenen Altersguthaben des Ex-Kantonsrats verrechnet.
Diese Verrechnung hat das Bundesgericht in einem zweiten Entscheid für zulässig erklärt. Würde die Verrechnung nicht gestattet, könnte die Pensionskasse auf ihrer Forderung sitzen bleiben und der Versicherte vom ungerechtfertigten Leistungsbezug profitieren, hiess es.
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