Ein Hafen zum Schnäppchenpreis
Wasserwerke, Autobahnen, Inseln und Heilquellen: Dies und mehr soll in Griechenland privatisiert werden. Die Bevölkerung wird davon kaum profitieren.

Die Internetseiteder griechischen Privatisierungsagentur erinnert an den Auftritt von Ricardo. Fein säuberlich werden die Schnäppchen aufgelistet, die es gegenwärtig zu erwerben gibt. Auktioniert werden allerdings nicht Alltagsgegenstände wie Möbel, Werkzeuge oder Musikinstrumente, sondern Flughäfen, Wasserwerke, Strände und Heilquellen. Zurzeit läuft die Versteigerung eines 524 Quadratmeter grossen Grundstücks in Thessaloniki, der zweitgrössten Stadt Griechenlands. Noch fünf Tage haben Interessenten Zeit, ihr Angebot zu platzieren. Der Countdown wird auf der Seite im Sekundentakt eingeblendet.
«Das grösste Privatisierungsprogramm Europas» soll Griechenland gemäss Troika 50 Milliarden Euro einbringen. Die Regierung von Tsipras hatte die Pläne in diesem Frühjahr zwar gestoppt. Doch mit dem gestrigen Ja zu den Reformen und Sparmassnahmen wird das Vorhaben wieder aktuell. Unter Wirtschaftsexperten ist die Massnahme höchst umstritten. Der Nobelpreisträger Paul Krugman bezeichnet viele Massnahmen als «grundlosen Ausverkauf»: «Die Gewinne werden privatisiert, während Risiken, aber auch die Verluste die gesamte Gesellschaft belasten.» Der deutsche «Tagesspiegel» stellt die bisherigen Privatisierungen unter der Troika als «Europoly» (in Anlehnung an das Gesellschaftsspiel Monopoly) dar: ein Spiel, in dem von Anfang an klar sei, wer die Verlierer sind.

Tatsächlich ist die bisherige Umsetzung der Privatisierungen alles andere als eine Erfolgsgeschichte. Im Juli 2011 wurde unter der konservativen Regierung der Hellenic Republic Asset Development Fund (HRADF) ins Leben gerufen. Mit den «dringenden Massnahmen für die Anwendung des mittelfristigen Rahmens der Finanzstrategie» sollten längerfristig 50 Milliarden Euro eingenommen werden. Weil die Verkaufsobjekte laufend an Wert verlieren, wurde die Zahl inzwischen auf 19 Milliarden korrigiert. Zur Bewerbung des Reformpakets wurde jedoch noch immer die alte Zahl verwendet. Kritiker wie Krugman warnen davor, dass die Differenz zwischen Budgetierung und den tatsächlichen Einnahmen letztlich auf den Steuerzahler überwälzt wird. Statt zu profitieren, würden den Griechen also zusätzliche Kosten aufgehalst.
Zumindest fragwürdig auch die geplante Verteilung der Verkaufserlöse: Nur 12,5 Milliarden Euro sollen als Investition ins Land fliessen. Dies jedoch nur, wenn der geplante Gesamterlös von 50 Milliarden Euro auch tatsächlich zusammenkommt. Vorrang haben die Rekapitalisierung der Banken (25 Milliarden Euro) und die Schuldentilgung (12,5 Milliarden Euro). Der deutsche Ökonom Rudolf Hickel warnt in der TAZ vor einem «infrastrukturellen Ausverkauf» Griechenlands, bei dem die zumeist ausländischen Geldgeber auf möglichst günstige Einkäufe hoffen.

Zu den engagiertesten Schnäppchenjägern gehören deutsche Firmen. So befindet sich der Frankfurter Flughafenbetreiber kurz vor Abschluss eines Megadeals: Für 1,4 Milliarden Euro möchte das Unternehmen in Staatsbesitz die Lizenzen für 14 griechische Flughäfen erwerben. Weiter fortgeschritten die Beteiligung im griechischen Telecommarkt: Seit letztem Jahr hält die Deutsche Telekom 40 Prozent des griechischen Telecomunternehmens OTE.
Der Widerstand gegen die Privatisierungen ist gross. Auch Trinkwasser – ein eher rares Gut in Griechenland – steht auf der Veräusserungsliste des Privatisierungsfonds. 2014 konnte der Verkauf eines Wasserwerks in Thessaloniki durch eine Volksinitiative gestoppt werden. 90 Prozent der Bürger sprachen sich gegen einen Verkauf aus. Ihre Befürchtung: Erhöhung des Wasserpreises, Abhängigkeit durch ausländische Firmen und Massenentlassungen im Zuge struktureller Bereinigungen.

Weiter fortgeschritten ist zurzeit die Privatisierung von Europas grösstem Passagierhafen. Nachdem Präsident Alexis Tsipras den Hafenverkauf in Piräus im Januar vorübergehend blockiert hatte, wurde er nun auf Druck der Eurozone im Mai erneut eingeleitet. Zurzeit buhlen drei Unternehmen um einen Mehrheitsanteil von 51 Prozent: zwei aus den Niederlanden und eines aus China. Bis spätestens Oktober soll feststehen, wer den Zuschlag erhält. Die Gewerkschaft der Hafenarbeiter wehrt sich mit allen Mitteln gegen den Verkauf: Der Hafen werde «geopfert wie Iphigenie», die in der griechischen Mythologie von ihrem Vater Agamemnon fallen gelassen wird.
Die Vermögenswerte des Funds werden in drei Kategorien eingeteilt. Sie zeigen, wie viele Bereiche durch die Privatisierung betroffen wären:
- Immobilien (u. a.: Privatinseln, Strände und Stadtviertel)
- Firmenanteile (u. a.: Energieunternehmen, Flug- und Schiffshäfen oder Rüstungskonzerne)
- Rechte (u. a.: Lizenzen für Betrieb von Autostrassen, Rohstoffvorkommen oder Mobilnetze)
Ein Blick auf die lange Liste der «Assets», in die private Gläubiger investieren können, zeigt, wie harzig der Verkauf läuft. Bis Anfang 2015 wurden aus acht abgeschlossenen Transaktionen gerade einmal zwei Milliarden Euro generiert.
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