ZoomEin helvetischer Sonderfall: Kaffeerahmdeckeli
Nirgendwo wurden sie so exzessiv gesammelt wie in der Schweiz: Roger Eberhard wirft mit seinen Fotos von Kaffeerahmdeckeli grundsätzliche Fragen auf.

Insider nennen sie KRD. Die modisch klingende Abkürzung verweist aber auf etwas geradezu Urschweizerisches: auf Kaffeerahmdeckeli.

Nirgendwo wurde das Sammeln dieser kleinen Aluminium- und Plastikfolien so exzessiv betrieben wie hierzulande.

In den Achtzigern wurden einzelne Serien für mehrere Tausend Franken gehandelt, es gab Raritäten, Tauschbörsen und Sammlerclubs.

Heute sind im Internet ganze Kollektionen gratis zu haben, Vereinswebsites dümpeln vor sich hin, der Hype ist abgeflaut.

Vielleicht gerade deshalb erinnert der Zürcher Fotograf Roger Eberhard in seiner Serie «KRD» an diesen helvetischen Sammler-Sonderfall.

Nicht die fotografische Inszenierung ist dabei das Besondere – abgelichtet werden die Deckeli vor farblich wechselnden Hintergründen –, sondern der Verweis auf ein Phänomen, das für Aussenstehende kurios anmutet.

Man könnte in den Sujets – vom Segelschiff bis zur Kuckucksuhr, vom Schmetterling bis zum Gartenzwerg – ein Abbild der schweizerischen Gemüts- und Interessenlage zu jener Zeit ausmachen.

Aber «KRD» provoziert auch ganz grundsätzliche Fragen. Wie gewinnt etwas an sich Wertloses an Wert? Warum waren gewisse Motive gesuchter als andere? Und weshalb war das Deckeli-Fieber gerade in der Schweiz so ausgeprägt? Weil sie eine Milchnation ist?

Dazu kommt, dass Eberhard seine KRD-Bilder im Internet als NFTs verkauft, also als digitale Kunstwerke. Damit öffnet sich ein weiterer Interpretationsraum.

Schliesslich ist der Wert von sogenannter Kryptokunst für viele ebenso schwer nachvollziehbar wie jener von kleinen runden Folien zum Verschliessen von Rahmportionen.

Ja, womöglich sagen uns gerade die profanen Deckeli etwas über Wesen und Wert von Kunst. Nicht zuletzt lächelt sogar Da Vincis Mona Lisa ihr rätselhaftes Lächeln – auf einem Kaffeerahmdeckeli.


Regula Fuchs schreibt über alles Mögliche in der Kultur und darüber hinaus - auch über Katzenleitern oder Klangkäse. Sie hat Germanistik, Theaterwissenschaft und Anglistik studiert und leitet das Ressort Kultur & Gesellschaft.
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