Die Fieberkurve der politischen Reaktion auf die grassierenden Masernerkrankungen zeigt steil nach oben. Drei deutsche Bundesländer führen jetzt den Impfzwang für Kita-Kinder ein. Gesundheitsminister Jens Spahn will nach dem Vorbild von Italien und Frankreich schon im Mai ein deutschlandweites Impfpflicht-Gesetz vorlegen. Und die SPD-Vorsitzende Andrea Nahles drückt aus, was viele denken: «Die individuelle Freiheit hat ihre Grenzen dort, wo sie die Gesundheit vieler anderer gefährdet.» Aber: Was so logisch tönt, ist zu kurz gedacht. Und wahrscheinlich kontraproduktiv.
Impfgegner sind nun mal nicht einfach die asozialen Hinterwäldler, als die sie oft dargestellt werden. Die wenigsten sind getrieben durch irrationale, durch keine Vernunft zu besänftigende Ängste vor dem medizinisch-staatlichen Apparat. Viele haben einfach eine gesunde Skepsis entwickelt gegenüber den mitunter trügerischen Verheissungen des Fortschritts. Sie wünschen für sich und ihre Kinder nicht mehr und nicht weniger als ein möglichst naturnahes Leben mit viel Bioobst und wenig Pharmachemie.
Das zeigt sich etwa daran, dass Impfskepsis überwiegend in Gegenden haust, wo die Bildung hoch ist, der Individualismus heilig, das Durchschnittseinkommen erklecklich, die politische Haltung progressiv.
Der Staat hat kein Alleinverfügungsrecht über das Wohl seiner Bürger.
Auf einen Impfzwang – oder auch nur auf die Drohung damit – reagieren sie allergisch. Und sie liegen richtig: Der Staat ist nicht allwissend und hat kein Alleinverfügungsrecht über das Wohl seiner Bürger. Wenn er sich anmasst, ihre Gesundheit bis in die Details zu dekretieren, provoziert er zivilen Ungehorsam. Damit wäre das Gegenteil der guten Absicht erreicht: Impfverweigerung im Untergrund, Entfremdung von Staat und Politik.
Kluge Gesundheitsbehörden verfügen aber über etwas viel Besseres als die Drohung mit der Volksspritze: die Kraft unabweisbarer Argumente. Die Impfung ist der beste Schutz gegen Kinderkrankheiten und ihre zuweilen tödlichen Folgen. Ja, es gibt Nebenwirkungen, aber diese sind im Vergleich mit den Gefahren der eigentlichen Erkrankungen überschaubar. Der Nutzen einer hohen Durchimpfungsquote ist für jeden Einzelnen und für die Gesellschaft immens. Den Menschen in armen Weltgegenden, wo die Kindersterblichkeit hoch ist, muss man das nicht extra erklären. Heute hier bei uns kann man es nicht genug erklären.
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Ein Impfzwang wäre verheerend
Wer mit der Volksspritze gegen Masern droht, erreicht das Gegenteil seiner guten Absichten.