
Es war ein mutiger Schritt, und er ist nicht dadurch weniger beachtlich, dass schon viele Russinnen und Russen vor ihm gegen den Krieg in der Ukraine aufbegehrt haben: Der russische Diplomat Boris Bondarew hat am Montag seinen Rücktritt als Berater bei der russischen UNO-Mission in Genf bekannt gegeben. Erst in einem Brief und nun in einem ausführlichen Interview mit dieser Redaktion hat er seinen Schritt begründet.
Dieser Fall liegt anders als alle bisherigen. Boris Bondarew ist kein Künstler, kein Sänger oder Schauspieler, der nun Stellung bezieht zum Überfall auf das Nachbarland. Er stand 20 Jahre in Diensten des Aussenministeriums, vertrat also ebenso lange den Kurs Moskaus mit. Sich davon derart offen loszusagen, dürfte ihn lange beschäftigt haben. Hat Bondarew, ein Diplomat, den vorher niemand kannte, damit also vielleicht das Eis gebrochen?
Niemand weiss, wie die Stimmung im Apparat ist, wie das Zahlenverhältnis zwischen Hardlinern und Gemässigten.
Verwunderlich ist es nicht, dass russische Diplomaten den Krieg kritisch sehen. Allerdings lässt sich das spektakuläre Rücktrittsschreiben auch nicht zu einem keimenden Widerstand hochrechnen. Niemand weiss, wie die Stimmung im Apparat ist, wie das Zahlenverhältnis zwischen Hardlinern und Gemässigten. Und was dies bedeuten könnte für den Fortlauf des Krieges in der Ukraine.
Kremlchef Wladimir Putin hat seine engsten Mitarbeiter vor laufender Kamera ins Boot gezogen, als er zwei Tage vor dem Beginn der Angriffe die Unabhängigkeit von Donezk und Luhansk anerkannte. Und er hat das Land auf treue Gefolgschaft eingeschworen, hat unterschieden zwischen «Patrioten» und «Verrätern». Erkennbar ist auch mit dem Fall Bondarew nicht, dass diese Gefolgschaft aufweicht. Viele Beamte haben viel zu verlieren, auch das ist Teil des über zwei Jahrzehnte gewachsenen Systems Putin.
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Kommentar zum Fall Bondarew – Ein mutiger Schritt
Es verwundert nicht, dass russische Diplomaten den Krieg kritisch sehen. Doch viele Beamte haben viel zu verlieren, das ist Teil von Putins System.