Ein neuer Anlauf fürs legale Kiffen
Befürworter der Cannabis-Legalisierung lancieren eine neue Initiative. Was sie aus den vergangenen Niederlagen gelernt haben.

Zunächst sollten ihn eigentlich nur die Nerds auf der Online-Plattform Reddit sehen: den Text für die neue Volksinitiative zur Legalisierung von Cannabis. Der Eintrag fand dennoch innerhalb weniger Stunden viel Beachtung – und Zustimmung. «Ich wäre dafür, dass man die Initiative Chrütlischwur nennt», kommentierte ein Nutzer.
Gegenüber Redaktion Tamedia bestätigt Nino Forrer, Presseverantwortlicher des Vereins Legalize it: «Wir haben den Initiativtext am Mittwoch bei der Bundeskanzlei eingereicht und beginnen damit den formellen Prozess der Vorprüfung.» Die Zürcher hatten ihre Pläne schon vor einem Jahr angekündigt, auf ihrer Website haben sich seither über 12'600 Unterstützer eingetragen. Sponsoren für das Projekt werden aber noch gesucht. Wann der Verein, der unter anderem Kiffer bei Rechtsstreitigkeiten berät, mit der Unterschriftensammlung beginnen kann, ist noch offen. Die Bundeskanzlei will erst nach abgeschlossener Vorprüfung über die Initiative informieren.
«Falsch, unrecht und dumm»
Die Initiative will Artikel 105 der Bundesverfassung ergänzen. Das ist jener Artikel, der heute exklusiv dem Alkohol gewidmet ist. «Der Konsum von Stoffen und Präparaten des Wirkungstyps Cannabis sowie die Vorbereitung zum eigenen Konsum sind straffrei», soll ein neuer Zusatz lauten. Ebenfalls soll der gemeinschaftliche Anbau von Cannabis für den Eigenbedarf legalisiert werden. Der Bund würde Vorschriften für Anbau, Herstellung und Handel erlassen. Die Abgabe an Minderjährige würde auf jeden Fall verboten bleiben. Zudem soll der Bund Verbrauchssteuern erheben auf Cannabis-Produkte, die nicht der medizinischen Anwendung dienen.
Der letzte Punkt ist neu. Die sogenannte Hanf-Initiative, die das Volk 2008 mit 63 Prozent deutlich abgelehnt hatte, sah noch keine derartige Steuer vor. Ausserdem sollte damals Cannabis-Konsum und Anbau auch für Minderjährige legalisiert werden. Das überparteiliche Initiativkomitee wollte dafür den Bund verpflichten, geeignete Massnahmen für den Jugendschutz auszuarbeiten. In einem zentralen Punkt machen die Initianten damit neu ein Zugeständnis an die Gegenseite – und locken mit zusätzlichen Einnahmen für den Fiskus.
Forrer von Legalize it sagt: «Das Verbot von Cannabis ist aus sozialer Perspektive falsch, aus juristischer Perspektive unrecht und aus ökonomischer Perspektive schlicht dumm.» Der Verein argumentiert, dass der gewerbliche Anbau und Handel von Cannabis unter staatlicher Kontrolle den Schwarzmarkt austrocknen würde. Dank der Legalisierung der Gewinne würden zudem Einnahmen an den Staat und nicht mehr in die Taschen von kriminellen Organisationen fliessen.
Tausende werden gebüsst
Von Bundespolitikern wird die Initiative wenig enthusiastisch aufgenommen – und zwar von Befürwortern wie Gegnern einer Legalisierung. Das hat mit ihrer Vorgeschichte zu tun: Die Legalisierung des Konsums von Cannabis war in der Schweiz in den letzten zwei Jahrzehnten wiederholt ein Thema. Trotz relativ breiter politischer Unterstützung scheiterten bislang alle Versuche.
Um die Jahrtausendwende wollte der Bundesrat zunächst das Betäubungsmittelgesetz ändern. Der Ständerat war klar dafür, doch der Nationalrat stellte sich quer. Auf das Aus des Gesetzesprojekts reagierten die Behörden mit der Schliessung von Cannabis-Shops und einem härteren Vorgehen gegen Konsumenten. Die Reaktion darauf, die erste Cannabis-Initiative, blieb an der Urne chancenlos, obwohl neben den linken Parteien auch die FDP knapp die Ja-Parole beschlossen hatte. Durchgesetzt hat sich im Parlament schliesslich ein Kompromiss: Seit 2013 werden erwachsene Konsumenten nicht mehr verzeigt, sondern nur noch mit 100 Franken gebüsst – wenn sie bei einer Polizeikontrolle nicht mehr als 10 Gramm Cannabis auf sich tragen.
Die Gesundheitspolitiker Heinz Brand (SVP) und Ruth Humbel (CVP) – und mit ihnen das Gros ihrer Parteikollegen – sind weiterhin gegen eine Legalisierung. Aus ihrer Sicht funktioniert das Ordnungsbussensystem gut. Für eine Änderung sehen sie keinen Anlass.
Seit der Einführung werden jedes Jahr mehr Cannabis-Bussen ausgestellt, wie Daten des Bundesamts für Statistik zeigen. Rund 19'000 waren es 2016 schweizweit. Eine Untersuchung der Stiftung Sucht Schweiz hat ergeben, dass die Kantone sehr unterschiedlich mit dem Gesetz umgehen: Während etwa in Zürich 4286 Bussen ausgestellt wurden, waren es in Bern letztes Jahr nur 203. Bei der Auslegung bestehe ein grosser Spielraum, schreibt Sucht Schweiz.
Vorbild USA
Mit dieser Situation könne niemand zufrieden sein, sagt SP-Nationalrat Cédric Wermuth. Und auch FDP-Nationalrätin Regine Sauter spricht von einem Gesetz, «das den Realitäts-Check nicht besteht». Trotz des Verbots werde in der Schweiz sehr viel Cannabis konsumiert. Geschätzt sind es mehrere Hunderttausend regelmässige Konsumenten.
Für Wermuth kommt die neue Initiative zum richtigen Zeitpunkt. Auch international, etwa in Nordamerika, gehe der Trend derzeit klar in Richtung Legalisierung. Gemäss Wermuth sieht dies auch in der SP inzwischen wieder eine deutliche Mehrheit so. Die FDP wiederum ist laut Sauter weiterhin gespalten. Sie selber ist zwar für die Legalisierung, hat aber Bedenken gegenüber der Initiative. Das Risiko, dass sie abgelehnt werde, sei gross. Und danach wäre das Thema auf Jahre hinaus politisch tabu.
Sauter plädiert für einen regulierten Markt für Cannabis. Derzeit bestehen in den vier Städten Zürich, Bern, Basel und Genf Pläne für ein Versuchsprojekt für einen staatlich kontrollierten Verkauf von Cannabis. «Wir sollten die Ergebnisse dieser Versuche abwarten und dann über neue Wege im Umgang mit Cannabis diskutieren», sagt Sauter. Noch hat das Bundesamt für Gesundheit die Tests aber nicht bewilligt.
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