
Nach sieben Jahren Dauergebrüll gegen Obamacare hat die Republikanische Partei bis auf weiteres keinen Ersatz für das verhasste Reformwerk Barack Obamas anzubieten. Nichts wurde aus dem Wahlversprechen, Obamacare durch eine bessere, billigere und rundherum wunderbare republikanische Gesundheitsreform zu ersetzen. Heute sollte im Senat abgestimmt werden, nun wird nichts daraus und womöglich ist der republikanische Ersatzplan endgültig gestorben. Der republikanische Mehrheitsführer im Senat, Mitch McConnell, geht gewiss ramponiert aus dieser Blamage hervor. Verglichen mit Donald Trump aber erscheint der Oldtimer aus Kentucky als ein Ausbund an Wissen, legislativem Fingerspitzengefühl und taktischem Geschick. Wer sich noch immer darüber aufregt, dass Trump von vielen US-Medien als unqualifizierter Ignorant gezeichnet wird, sollte die Rolle des Präsidenten beim republikanischen Gesundheitsdebakel betrachten.
Dass Trump mentale Defizite hat, die ihn eher ungeeignet für die amerikanische Präsidentschaft machen, war bekannt. Oder wie es die republikanische Senatorin Susan Collins (Maine) taktvoll ausdrückte: «Dieser Präsident ist der erste Präsident in unserer Geschichte, der weder politische noch militärische Erfahrung hat, und es ist deshalb schwierig für ihn, zu lernen, wie man mit dem Kongress umgeht oder politische Anliegen verkauft.»
Desinteresse am Regieren
Leider ist Trump kein Quereinsteiger, der sich beizeiten aneignen würde, was von ihm verlangt wird. Sein Desinteresse am Regieren zusammen mit seiner kurzen Aufmerksamkeitsspanne schafft Probleme. Nicht nur für den Präsidenten, sondern auch für die Kongressrepublikaner. Weil Mitch McConnell das weiss, hielt er Trump aus den Beratungen über die Gesundheitsreform weitgehend heraus. Als sich die republikanische Senatsfraktion am Dienstag im Weissen Haus mit dem Präsidenten traf, waren die Senatoren geschockt, dass Trump keinen blassen Dunst vom Inhalt der Senatsvorlage hatte. Wenngleich diese Vorlage immerhin ein Sechstel der gesamten amerikanischen Volkswirtschaft betrifft. Als Senatoren vom moderaten Parteiflügel darauf verwiesen, dass die in der Vorlage festgeschriebenen Steuerkürzungen für die reichsten Amerikaner zum politischen Problem werden könnten, reagierte Trump ahnungslos: Um die Steuerreform werde er sich später kümmern, beschied er die Besucher.
Ein dünnes Lächeln
Man kann über Trump sagen, was man will, ihn preisen oder kritisieren: Dass ein Präsident nur wenig Ahnung hat vom wichtigsten republikanischen Gesetzeswerk in Jahrzehnten, spricht Bände. Nicht weiter überraschend war daher McConnells Antwort auf die Frage, ob Trump die Details von Trumpcare kenne. Der Mehrheitsführer schwieg, im Gesicht ein dünnes Lächeln. Auch das sprach Bände. Es ist in Washington ein offenes Geheimnis, dass die Kongressrepublikaner von wenigen Ausnahmen abgesehen nicht viel von Trump halten. Sie hätten lieber seinen Vize Mike Pence an der Spitze. Sie misstrauen Trump, beklagen seine Sprunghaftigkeit und amüsieren sich über manches, was er von sich gibt. Etwa sein Versprechen, eine Mauer an der Grenze zu Mexiko zu errichten und die Mexikaner dafür zur Kasse zu bitten. Trumps Tweets beschämen viele Republikaner, seine Ignoranz betrachten sie als gefährlich. Gezeigt hat sich diese Ignoranz ja nicht erst beim Debakel der Gesundheitsreform. Auch republikanischen Senatoren ist bekannt, dass Trump nicht liest und Geschriebenes speziell für ihn aufbereitet werden muss. Trumps CIA-Direktor Mike Pompeo versieht deshalb die kurzen Memoranden des Geheimdienstes – lange Memoranden lehnt Trump ab – mit knalligen Grafiken und Schaubildern. Andernfalls erlahmt die Aufmerksamkeit des Präsidenten.
Sein eigener Name als Motivator
Auch werden selbst kurze Schriftstücke bisweilen mit Paragrafen bestückt, die Trumps Namen enthalten. Erkennt der Präsident seinen Namen in einem Paragrafen, liest er interessiert weiter. Unter solchen Umständen ist es nicht weiter verwunderlich, dass Trump kaum Autorität auf dem Kapitolshügel besitzt. Konnten Präsidenten wie Lyndon Johnson oder Ronald Reagan dort Loyalität erzwingen, so kann Trump dies nicht. Auch dies ist ein Grund, warum die republikanische Gesundheitsreform scheiterte: Trump fehlt es an Autorität, um die widerstrebenden Flügel der Partei zu einen. Als er nach der Trumpcare-Pleite gefragt wurde, ob er Angst vor dem Präsidenten habe, lachte der republikanische Senator Lindsey Graham (South Carolina) und erwiderte: «Nein.» Falls Trump in den kommenden Monaten keine Erfolge vorweisen kann oder ihm ein Skandal in die Quere kommt und seine Basis deshalb zu bröckeln beginnt, werden die Kongressrepublikaner den Präsidenten weitgehend zu ignorieren versuchen. Schon jetzt haben sie eigentlich genug von Donald Trump.
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Ein Präsident ohne Autorität
Ahnungslos stolpert Donald Trump durch seine Präsidentschaft. Vom Inhalt der republikanischen Gesundheitsreform verstand er nichts.