«Dieses kleine Ding, meine Damen und Herren, entscheidet über Leben und Tod.» Mit diesem Satz legte 1987 «Tagesschau»-Moderator Charles Clerc dem TV-Publikum den Gebrauch des Präservativs nahe und wagte den nötigen Tabubruch zu bester Sendezeit. Die Botschaft: Prävention schützt vor dem lebensgefährlichen Virus.
Nun aber begeht die Aids-Hilfe einen Tabubruch in die andere Richtung: Ungeschützter Sex mit HIV-positiven Menschen ist dank der neuen Kombinationstherapien ungefährlich. Ziel ist es, infizierte Menschen vom Stigma zu befreien, ansteckend zu sein. Tatsächlich sind die antiretroviralen Medikamente ein grosser medizinischer Fortschritt. Schlägt die Therapie an, wird die Virusvermehrung so wirksam gestoppt, dass Betroffene wieder ungeschützten Geschlechtsverkehr haben können.
Die Aids-Hilfe hat Wichtiges geleistet, um die Angst vor HIV-Infizierten zu nehmen.
Doch die neue Kampagne ist riskant. Im Kleingedruckten steht zwar, dass die Entwarnung nur für HIV-positive Menschen bei erfolgreicher Therapie gilt. Doch die Gefahr besteht, dass in der Öffentlichkeit vor allem die Hauptbotschaft ankommt: Entwarnung. Das kann fatal sein, denn gleichzeitig gibt es eine beträchtliche Zahl von Menschen, die im Wissen um die neuen Therapien die Safer-Sex-Regeln ignorieren, obwohl sie häufig wechselnde Sexualpartner haben.
Die Aids-Hilfe hat Wichtiges geleistet, um die Angst vor HIV-Infizierten zu nehmen. Dazu gehörte die Botschaft, dass bei sozialen Kontakten keine Ansteckungsgefahr besteht. Diese Information kann kaum missverstanden werden. Die neue Kampagne könnte hingegen die Leichtsinnigen in ihrem riskanten Verhalten bestätigen und die bisherigen Präventionskampagnen unterlaufen.
Gefahrloser Sex mit einem HIV-positiven Menschen ist nur im Vertrauen möglich, dass dieser die Therapie konsequent anwendet und mit der Gewissheit, dass die Medikamente bei ihm wirken. So viel Information kann eine plakative Kampagne jedoch kaum vermitteln.
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Ein riskanter Tabubruch
Die Kampagne der Aids-Hilfe ist gut gemeint, gefährdet aber die Prävention.