Ein unglaubliches Desaster
Wieder kann Mediapulse keine TV-Quoten bekannt geben. Die Affäre ist unverständlich und peinlich. Und wirft vor allem eine Frage auf.
Es ist keine Krise mehr, sondern eine Katastrophe. Anders kann man es nicht nennen. Seit Anfang Jahr befindet sich die TV-Branche im Blindflug. Die TV-Sender wissen nicht, ob ihr Programm beim Publikum erfolgreich ist. Sie kennen ihre Quoten nicht. Aber auch die Werbekunden wissen nicht, wie oft ihre Spots gesehen werden.
Erst waren es technische Probleme, dann machte die Auswertung Schwierigkeiten. Und jetzt, da die Zahlen angeblich «plausibel und schlüssig» wären, gehen die TV-Sender auf die Barrikaden. Weil erhebliche Unterschiede bestehen, zweifeln sie an den Daten und verlangen eine unabhängige Untersuchung, wie heute bekannt wurde.
Damit hat nun wirklich niemand gerechnet. Der Druck muss aber immens gewesen sein. Der Verwaltungsratspräsident von Mediapulse, Marco De Stoppani, leitete die Pressekonferenz mit den Worten ein: «Wegen gewichtiger Ereignisse der letzten Stunden kann ich Ihnen heute keine Zahlen präsentieren.»
Was ist da passiert? Wer intervenierte? Waren es die regionalen Sender? Oder gar das Schweizer Radio und Fernsehen? Dass die Intervention von den Grossen der Branche kommt, ist nicht auszuschliessen. Der Verwaltungsrat schweigt darüber, von wo die Skepsis kommt. Er stuft einzig seinen Entscheid als unpopulär, aber weise ein.
Weise war die Entscheidung und Kommunikation mit Sicherheit nicht. Denn mit dem heutigen Akt ist der Schaden komplett. Schlimmer kann es eigentlich nicht mehr werden. Das Vertrauen in Mediapulse und in ihr neues Messsystem ist zerstört.
Auch wenn die Sender juristisch noch nicht gegen Mediapulse vorgehen und Schadenersatz fordern, sind bereits die Anwälte am Zug. Es war keine Bitte der Sender, die Zahlen nicht zu publizieren. Es war eine klare Aufforderung. Vielleicht sogar eine Drohung. Wenn nämlich Schadenersatzforderungen kommen, entwickelt sich die Panne zur Existenzfrage für Mediapulse.
Jetzt muss Vertrauen her, und zwar schnell. Die TV-Zahlen von Mediapulse haben Währungscharakter. Eine Währung ist nur so stark wie das Vertrauen, welches man ihr entgegenbringt. Die Sender haben allen Grund, die Zahlen anzuzweifeln. Wenn zwischen den Zahlen von 2012 und jenen von 2013 ein erheblicher Unterschied besteht, dann müssen die Begründungen schon schlüssig und plausibel sein. Und offenbar kann Mediapulse die Kunden davon nicht überzeugen.
Es ist blauäugig zu glauben, die Sender würden grosse Abweichungen einfach so hinnehmen. Nur schon Abweichungen von fünf Prozent sind für die Sender eine Katastrophe, da die Werbepreise fallen und mit weniger Einnahmen gearbeitet werden müsste.
Eine Frage steht über allen anderen: Warum wurde das neue Messsystem nicht getestet, als das alte System noch lief? Bleiben die Daten weiter aus, muss eine Untersuchung eingeleitet werden.
Das Vertrauen muss wieder her. Ein Rücktritt an der Spitze wäre ein Anfang. Der Verwaltungsratspräsident Marco De Stoppani machte an der heutigen Pressekonferenz einen sichtlich abgekämpften Eindruck. Dass er die Verantwortung trägt, ist nicht von der Hand zu weisen. Dass die Sender die Zahlen anzweifeln, ist womöglich auf falsche Prognosen, eine ungenügende strategische Vorbereitung und Analyse zurückzuführen.
Klar ist eins: Das Projekt wurde massiv unterschätzt.
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