Ein verhindertes Geschenk
In Sizilien wollte ein Mafiaboss seine Tochter ermorden, weil sie ihn verraten habe – und weil sie einen Carabiniere als Geliebten hatte.

Gewisse Reflexe der sizilianischen Mafia hielt man für überwunden, verschwunden mit der alten Garde. Zum Beispiel Morde in der eigenen Familie. Und so sorgt nun die Geschichte der Familie Scaduto aus Bagheria, einem Vorort von Palermo, für einige Verwunderung – selbst auf der Insel, die schon so viel erlebt hat.
Sie handelt von einem rachsüchtigen Vater und Boss, einer Tochter mit einem bewegten Liebesleben und von einem Sohn, der sich weigerte, seine Schwester zur Ehrenrettung zu töten, wie es ihm der Vater befohlen hatte. Wobei nachgeschickt werden muss, dass die Logik des scheinbar heldenhaften Sohns in Wirklichkeit vielleicht ebenso niederträchtig ist wie die des Vaters. Aber dazu später.
Vater Giuseppe Scaduto, den alle Pino nennen, war früher, als die Cosa Nostra noch von Salvatore «Totò» Riina und Bernardo Provenzano geführt wurde, schon eine zentrale Figur gewesen. Ein Mitglied der Cupola, des Leitungsgremiums der Organisation. Nachdem die Kuppel eingestürzt war, galt er für eine Weile gar als möglicher Nachfolger, als neuer Boss der Bosse. Als die Carabinieri 2008 mit der «Operazione Perseo» hundert Mafiosi festnahmen, war der Boss aus Bagheria von allen der prominenteste. Pino Scaduto war wohl gar nicht so überrascht, er hatte schon lange einen präzisen Verdacht gegen seine Tochter.
Blind vor Hass
Er fand nämlich, dass Maria Caterina, heute 44 Jahre alt, Managerin eines Luxushotels, nicht nur den falschen Mann geheiratet hatte – einen kleinen Fisch der Mafia. Zum Geliebten hielt sie sich auch noch einen Feldweibel der Carabinieri, einen Maresciallo. Fortan nannte Scaduto seine Tochter nur noch «sbirra», Bullin.
In seinen Kategorien gab es nichts Verwerflicheres als diese Liaison mit einem Carabiniere. Er warf ihr vor, sie habe ihn verpfiffen. Beweise dafür gab es zwar nie, und Maria Caterina beteuerte, der Carabiniere sei nur ein Freund. Doch der Vater war wie blind vor Hass und schrieb Briefe aus dem Gefängnis, die von der Polizei abgefangen wurden. In einem dieser Briefe an eine Verwandte verhiess er, seiner Tochter «ein schönes Geschenk» zu machen, wenn er rauskomme. Gemeint war kein schönes, sondern ein blutiges.
Lieber wäre ihm allerdings gewesen, er hätte sie sofort bescheren können. Und darum trug er seinem Sohn Paolo 2008 auf, die Schwester, deren Ehemann und den Geliebten umzubringen – allesamt, weil alle eine Schuld an seiner Verhaftung trügen. Aber eben, der Sohn mochte dem Vater nicht gehorchen.
Den Clan neu organisiert
Die Ermittler hörten ein Telefongespräch mit, in dem Paolo Scaduto einem Freund erzählt, wie er den Mordauftrag ausschlug: «Ich mache das nicht», habe er gesagt. «Du bist der Vater, du machst das, ich mache gar nichts. Warum soll ich mein Leben ruinieren? Ruinier dir deines, ich bin dreissig, ich ruiniere meines nicht.» Kein Erbarmen also, keine Geschwisterliebe – nur ein kühles Abwägen der eigenen Interessen.
Vor einigen Monaten kam der Vater frei, nach fast neun Jahren im Gefängnis. Kaum war er draussen, arrangierte er seinen Clan neu, terrorisierte Bagheria wie ehedem, trieb wieder den «Pizzo» ein, die Erpressungssteuer. Offenbar war in der Haft auch sein grösster Hass nicht verflogen, der Hass auf seine Tochter. Nun haben sie Pino Scaduto wieder verhaftet, zusammen mit fünfzehn Mitgliedern seiner Bande. Die Polizei hielt es für sehr wahrscheinlich, dass er noch immer vorhatte, seine Tochter zu beschenken.
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