Abschluss des ERZ-SkandalsEin Werbespot fürs Entsorgungsamt, der schlecht ankommt
Ein letztes Mal hat sich der Gemeinderat mit der ERZ-Affäre beschäftigt. Die Stadtpräsidentin räumte eine Mitschuld ein, Richard Wolff irritierte.

Und zum Schluss: eine Panne. Am Mittwochabend debattierte der Gemeinderat ein letztes Mal über den Skandal rund um Entsorgung + Recycling Zürich (ERZ). Die Rätinnen und Räte verabschiedeten den Bericht der parlamentarischen Untersuchungskommission (PUK) einstimmig. Sie zogen damit einen Schlussstrich unter ein unrühmliches Kapitel der Stadt Zürich.
Zwei Jahrzehnte lang konnten zwei ERZ-Direktoren ihre ganz eigenen Regeln etablieren und sich der Kontrolle entziehen. Währenddessen bezahlten Zürcherinnen und Zürcher rund eine Milliarde Franken zu viel Gebühren, wie dem PUK-Bericht zu entnehmen ist. Schwarze Kassen oder ein Oldtimer-Museum blieben unentdeckt. (Lesen Sie hier mehr dazu.)
Diesen Schlusspunkt setzten die Gemeinderätinnen und -räte aber unter ungewöhnlichen Bedingungen: Die Heizung im Corona-Provisorium in der Messehalle 9 in Oerlikon fiel aus, die Temperaturen waren entsprechend tief, was die Diskussion nicht abkühlte, jedoch die Ratssitzung um zwei Stunden verkürzte, sie musste vorzeitig abgebrochen werden.
Die Mitglieder des Rates nutzten die Zeit aber, um den Stadtrat noch einmal scharf zu kritisieren. Es sei ihm schleierhaft, wie der Stadtrat seine Mitschuld angesichts des PUK-Berichts immer noch negieren könne, sagte PUK-Präsident Markus Merki (GLP). Er forderte: «Der Stadtrat soll seine Bubble verlassen, hinstehen und die Mitschuld anerkennen.» Mischa Schiwow (AL) wertete das Verhalten des Stadtrates als «stillschweigendes Mitmachen». Der Stadtrat habe schlicht zu wenig genau hingeschaut, obwohl es Hinweise gegeben hätte.
Die Frage, was für eine Stadtregierung Zürich verdient habe, stellte Stefan Urech (SVP) im Hinblick auf die Wahlen 2022. «Was wäre heute, wenn kein Whistleblower diese Affäre losgetreten hätte?» Aktuell werde bei Gesprächen in den Gängen viel über mögliche Stadtratsnominationen geplaudert und über Kriterien. «Da hört man, es brauche eine Frau», sagte Urech, «aber nie, es brauche eine Kandidatin oder einen Kandidaten mit Führungsfähigkeiten.» Dabei zeige genau dieser Skandal, dieser PUK-Bericht, dass Stadträtinnen und Stadträte diese Kompetenz brauchten, damit die Aufsicht funktioniere.
Auftritt Richard Wolff
Stadtpräsidentin Corine Mauch (SP) bedankte sich für den PUK-Bericht, der die gravierenden Regelverstösse detailreich aufzeige. Sie betonte noch einmal: «Die Regelverstösse wurden mit grosser Energie bewusst verschleiert.» Aber sie anerkannte nun, dass auch der Stadtrat eine Mitschuld trage.
Der heute fürs ERZ zuständige Stadtrat Richard Wolff (AL) mochte nicht mehr zurückblicken. In Jacke und Schal gehüllt, hielt er ein flammendes Votum für das Entsorgungsamt. Der Kulturwandel sei vollzogen, die Kontrollmechanismen verstärkt, ERZ wieder eine ganz normale Dienstabteilung, bei der man nicht immer den Verdacht haben müsse, alles sei faul.
Doch dieser Werbespot kam schlecht an. PUK-Präsident Merki ergriff noch einmal das Wort: «Ich habe jetzt Fragezeichen vor den Augen.» Er habe gerade das Votum der Stadtpräsidentin und die Debatte würdigen wollen. Doch was Richard Wolff gesagt habe, klinge wieder nach Selbstbeweihräucherung. Dabei sei die Haupterkenntnis aus dem PUK-Bericht genau etwas anderes: «Lieber Stadtrat, schau in den Spiegel und bleibe kritisch.» Diese Haltung habe ihm in Wolffs Schlussvotum gefehlt.
Patrice Siegrist ist stellvertretender Leiter Zürich Politik & Wirtschaft. Er schreibt für Geschichten auch Code. An der Universität Zürich studierte er Politikwissenschaften und ist seit 2015 beim «Tages-Anzeiger».
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