Ein Zürcher Leiden verschwindet
Die städtischen Behörden ändern das Vergabesystem bei ihren Wohnungen. Die alte Praxis ist in ihrer Groteskheit heute schon legendär.
Viereinhalb Zimmer, 84 Quadratmeter, Bullingerstrasse, 1188 Franken: Mehr als verlockend ist das Angebot der Familienwohnung, welche die Liegenschaftenverwaltung der Stadt Zürich diese Woche im «Tagblatt der Stadt Zürich» und auf ihrer Website publiziert hat. Zumindest auf dem Papier. Denn: Die Wohnung zu bekommen, ja nur schon die Adresse herauszufinden und die Wohnung zu besichtigen, ist – gelinde gesagt – ein mühsames Unterfangen.

An einem einzigen Tag, 30 Minuten lang lässt die Stadt Interessentinnen und Interessenten telefonisch Auskünfte einholen. Wer Adresse und Besichtigungstermin erfahren will, wählt sich während dieser halben Stunde die Finger wund. Immer mit der Hoffnung, irgendwann am anderen Ende der Leitung kein Besetztzeichen mehr zu hören. Doch das erleben die wenigsten.
Das soll sich nun bald ändern. Im Frühling 2018 will die Liegenschaftenverwaltung der Bevölkerung ein internetbasiertes Vergabesystem präsentieren, wie deren Sprecher Kuno Gurtner sagt. Zürich wird also auch in diesem Bereich digital. Endlich!
Zufall trifft Auswahl für Besichtigung
Wie das «Tool genau funktioniert», wird Gurtner jedoch erst zu einem späteren Zeitpunkt erläutern. Anlässlich der Besichtigung der städtischen Siedlung Kronenwiese vor gut einem Jahr tönte Gurtner bereits an, was geplant sein könnte: «Das Programm wird die Daten der Interessenten daraufhin prüfen, ob Belegung und wirtschaftliche Verhältnisse stimmen.» Darauf trifft es nach dem Zufallsprinzip eine Auswahl für die Besichtigung. Erfahrungsgemäss erfüllen 20 bis 30 Prozent der Bewerber die Bedingungen für die Wohnung nicht oder reichen nicht alle geforderten Unterlagen ein.
Zunächst muss das Tool gründlich getestet sein. Pannen goutieren die Nutzer gerade bei einem emotionalen Thema wie dem Wohnen nicht. Dann will die Stadt auch eine Lösung präsentieren für all jene Leute, die keinen Internetzugang haben, aber doch die gleichen Chancen haben sollten, von den Angeboten der Stadt zu profitieren. Bei der Erstvermietung ganzer Überbauungen dürfte die Liegenschaftenverwaltung aber weiterhin allen Gelegenheit zur Besichtigung geben.
Andere Schweizer Städte sind einiges weiter und kulanter als Zürich. In Bern sind alle Wohnungen mit Ausnahme der vergünstigten im Internet aufgeschaltet. Deren Publikation erfolgt einmal monatlich im Amtsblatt. Danach haben Interessierte eineinhalb Tage Zeit, um telefonisch den Besichtigungstermin zu erfragen. In Basel sind alle städtischen Wohnungen im Internet aufgeschaltet, Bewerbungen sind online möglich.
Wird das auch in Zürich dereinst wahr, freut das die beiden Zürcher Künstler Luise Hüsler und Simon Münger vom Filmkollektiv Minibarfilm. Sie haben einen Kurzfilm über das groteske Vergabesystem gedreht (siehe oben), der an verschiedenen Filmfestivals gezeigt wird – und dem Vernehmen nach auch in der Liegenschaftenverwaltung der Stadt Zürich schon für Lacher gesorgt hat.
Video: Schlange stehen für eine städtische Wohnung
Beim ersten Besichtigungstermin in der Siedlung Kronenwiese im Juni 2016, sind Tausende in der Warteschlange gestanden. Video: Lea Blum
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Die Wohnung besichtigen, ohne dort zu sein

Keine Zeit, die neuen vier Wände vor Ort anzuschauen? So wird's neu gemacht.
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