Eine Chance für das krumme Rüebli
Eine kleine Delle reicht: Gemüse, das nicht der Norm entspricht, landet schnell im Abfall. Das Beispiel von vier Jungunternehmern zeigt, was die Lösung sein könnte.
Sind die Gurke oder das Rüebli nicht schnurgerade gewachsen oder der Eisbergsalat nicht 300 Gramm schwer, dann schaffen sie es nicht ins Gemüseregal der Grossverteiler. Die Bauern bleiben dann meist auf den als zweitklassig betitelten Produkten sitzen. Doch diesem Grünzeug wollen vier Berner Jungunternehmer nun eine Chance im Verkaufsregal geben. Voraussichtlich ab Juli werden sie in der Hauptstadt ihr Geschäft Gmüesgarte eröffnen, wo es krumme Rüebli, Tomaten mit Ausbuchtung oder kleine Äpfel zu günstigen Preisen gibt.
Die Unternehmer, die den Laden im Kellergeschoss eröffnen, sind Franziska Güder, Geo Taglioni, Jan Henseleit und Simon Weidmann. Sie gehören zu den Berner Foodwaste-Pionieren. Seit zwei Jahren führen sie bereits die Äss-Bar in Bern – ein Laden, wo sie täglich rund 200 Kilo Brotwaren verkaufen, die bereits einen Tag alt sind: «Der Kampf gegen Foodwaste ist unsere Leidenschaft», sagt Güder, die auf einem Bauernhof aufgewachsen ist. Die Äss-Bar hat Filialen in der ganzen Schweiz, darunter in Zürich, Winterthur, St. Gallen und Basel.
Zwei Bauern machen mit
Mit einem detaillierten Einkaufszettel wird man im Gmüesgarte dereinst aber nicht einkaufen können: «Ins Regal kommt, was bei den Berner Bauern übrig bleibt, was genau das sein wird, können wir von vornherein nicht sagen», sagt Güder. Ziel sei auch, das als zweitklassig eingestufte Frischgemüse günstiger zu verkaufen: «In der Bäckerei können wir die Backwaren vom Vortag zum halben Preis anbieten, ähnlich möchten wir das auch bei den Früchten und dem Gemüse schaffen.» Weil es keine Zwischenhändler gebe, könnten sie die Ware preiswerter anbieten.
Grafik: Ein Drittel aller Esswaren geht in der Schweiz verloren

Bisher konnten die Geschäftsinhaber zwei Bauern aus der Region verpflichten, die sie mit Gemüse und Früchte versorgen. Einer davon ist Pascal Gutknecht, Mitinhaber eines der grössten Seeländer Gemüsebetriebe in Ried bei Kerzers. «Die Anforderungen an das Gemüse werden immer strenger – was nicht perfekt ist, wird aussortiert», sagt Gutknecht, der alle grossen Schweizer Ladenketten beliefert. Er habe sich schon vor Jahren Gedanken darüber gemacht, was er mit dem Gemüse machen könnte, das qualitativ einwandfrei sei, aber eben nicht der Norm entspreche. «Wir haben deshalb einen speziellen Hofladen eröffnet, wo dieses Gemüse angeboten wird.» Auch würden Tomaten, die nicht der Norm entsprächen, direkt zu Sauce eingekocht.
Des weiteren versucht Gutknecht die zweitklassige Ware den Marktfahrern mitzugeben: «Diese können den Kunden im Gespräch erklären, dass etwa die Schale der Kartoffeln wegen Regenfällen vernarbt ist, dies aber keinen Einfluss auf das Innere der Kartoffel hat.» Er versuche, alles, was die Natur erschaffen habe, zu verwenden, was aber nicht immer möglich sei: «Es kommt vor, dass das frische Gemüse beispielsweise bei Hagelschäden unbrauchbar wieder in die Erde eingearbeitet wird.» Damit würden wenigstens die Nährstoffe wieder dem Boden zugeführt. Die Idee des neuen Ladens in der Marktgasse gefällt ihm: «Das bringt das Thema der strengen Normen wieder auf den Teller, und es ist schön, ein Teil dieses Projekts zu sein», sagt Gutknecht.
Alles nur als Hobby
Die Foodwaste-Statistik zeigt, dass fast die Hälfte der Abfälle in Haushalten verursacht wird und nur 13 Prozent in der Produktion verloren gehen. Müsste man dann im Kampf gegen Foodwaste nicht vor allem bei den Konsumenten ansetzen? «Wir sind auch ein Sensibilisierungsprojekt, doch daneben braucht es sicher weitere Initiativen», sagt Franziska Güder von Gmüesgarte. Ihr neuer Laden sei auch nur eine Nische: «Aber unsere Vision ist, dass die Normierungen für Gemüse abnehmen.»
Was machen die vier Berner, damit das krumme Gemüse nicht bei ihnen im Laden liegen bleibt? «Natürlich müssen wir gut planen, sodass am Abend möglichst wenig übrig bleibt.» Sie seien bereits mit einem Flüchtlingsheim in Kontakt. Es zeigt Interesse, das übriggebliebene Gemüse zu übernehmen. Aussergewöhnlich sind beim Gmüesgarte nicht nur die Formen des Gemüses, speziell ist auch, dass die vier Gründer das Geschäft als unentgeltliche Nebenbeschäftigung betreiben. Alle vier verfügen über Jobs: «Es ist ein freiwilliges Engagement mit finanziellem Risiko und viel Verantwortung», so Güder.
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