
«Büli Kuss»-Pralinen und Caramel-Tuiles glänzen in der Vitrine der Bülacher Confiserie Klaus. Von dem Murmeln der Gäste hebt sich das ansteckende Lachen Maria Eiseles ab. Sie hat ein junges Gesicht mit einer alten Seele: So flüstert die 62-Jährige ihren Jahrgang auch bloss zu.
Eisele, aufgewachsen in Basel, zog es nach dem Studium nach Zürich. «Ich war überzeugt, dass ich da als Journalistin mehr Chancen hätte», sagt die Mutter zweier erwachsener Töchter. Bald berichtet sie für das Schweizer Fernsehen über Gesellschafts- und Religionsthemen.
Die Religion ist auch, was sie nach Bülach bringt: Ihr Mann, ein Theologe, erhält hier eine Pfarrstelle. Und die Familie ist gekommen, um zu bleiben – auch wenn die Politikerin ihr Auto weiterhin Auti und nicht etwa Charre nennt. Die unabhängige Frau ist den Bülachern bald bekannt, erst als Journalistin, später als Shiatsu-Therapeutin und Autorin.
«Da konnte ich nicht länger tatenlos zuschauen»
Eisele nimmt mich mit auf einen Rundgang: «Ich spaziere oft, um die Gedanken zu lüften und eine Aussensicht zu gewinnen», sagt sie und erklärt auch gleich, weshalb die Altstadt mehr Dorfkern statt Downtown-Charakter habe: «Ohne Schwatz geht man nicht nach Hause.»
Politisch geprägt hat Eisele einerseits das Aufwachsen in der katholischen Kirche: «Ich erlebte den Aufbruch von Konzil und Synode und liebte das daraus erwachende Einstehen für Gerechtigkeit.» Dann war da auch die Frauenbewegung und die Nichtwahl der SP-Bundesratskandidatin Christiane Brunner: «Die politischen Spiele um Brunner haben mich extrem getroffen.» Doch als Journalistin wollte Eisele keine Parteipolitik anstreben. Dazu entschliesst sie sich erst, als in Bülach Jahre später das Kulturzentrum «Guss 81-80», in dem sie als Freiwillige tätig war, Konkurs anmelden muss. Der Treffpunkt erhält von den Stimmberechtigten nicht genügend Betriebsbeiträge gesprochen. «Da konnte ich nicht länger tatenlos zuschauen, wie gute Dinge kaputt gehen.»
Die Alternative Liste (AL) sei für sie «die stimmige Wahl» gewesen, da sei sie auf Kompetenz und Kreativität gestossen. «Ich bin mit dieser Parteizugehörigkeit aber eine Exotin im Bezirk Bülach», sagt Eisele. Als sie vor acht Jahren beitritt, wissen die wenigsten, wofür die Buchstaben – AL – stehen: Armee-Leitbild, Arbeitslosenversicherung? «Heute höre ich nun oft: Ah, das ist doch die Partei von Wolff.»
«Ich werde die nächsten Wochen oft im Schnee und Regen stehen und Flyer verteilen.»
Wir spazieren vorbei an Schrebergärten auf einen Hügel mit Stadtblick. Eisele weist auf die Kräne: «Wir erlebten in den vergangenen Jahren einen riesigen Bevölkerungszuwachs.» Wie sehr der Bezirk gewachsen ist, zeigt sich auch daran, dass er neu 18 statt 17 Kantonsräte entsenden kann. «Es werden viel zu viele teure Wohnungen gebaut», sagt Eisele. Stattdessen bräuchte es bezahlbare Mietobjekte und alles, was Lebendigkeit ermöglicht – Arbeitsplätze vor Ort und Kultur.
Dass Eisele für ihre Ziele vom Listenplatz 18 aus kämpft, bedeute nicht, dass sie im Wahlkampf zurücklehnen will: «Ich möchte von da die kommende Generation unterstützen». So wird die Frau, die die letzten zwei Male an der Spitze stand, nun anderen den Rücken stärken: «Ich werde die nächsten Wochen oft im Schnee und Regen stehen und Flyer verteilen.»

Als Eisele am Ende des Spaziergangs das Rathaus mit dem roten Riegel erblickt, sagt sie: «Fast hätte ich hier mein Büro bezogen.» Fünf Jahre ist es her, als sie als AL-Frau in den damals rein männlichen Stadtrat gewählt werden wollte. Den Einzug verpasste sie um nur 54 Stimmen: «Ich habe dies nie als Misserfolg, sondern als Sensation verbucht», sagt sie und spielt an den Blümchen an ihren Armstulpen.
Die Nichtwahl als Sensation verbucht
Wie gross diese Sensation gewesen wäre, zeigt sich auch daran, dass der Bezirk mehrheitlich bürgerliche Parteivertreter in den Kantonsrat stellt und diese sowohl im Bülacher Gemeinde- wie auch im Stadtrat seit Jahrzehnten eine Mehrheit bilden.
«Ich habe selten in ein Konzept gepasst», sagt Maria Eisele. Man glaubt es dieser aufgestellten AL-Politikerin in der bürgerlichen Hochburg.
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Eine Exotin für den Bezirk Bülach
AL-Politikerin Maria Eisele belegt den letzten Listenplatz – nicht aus mangelndem Engagement, sondern weil sie so der nächsten Generation den Rücken stärken kann.