Eine Frage der Immunität
Eine Kommission dürfte am Mittwoch beraten, ob Christoph Blocher in der Affäre Hildebrand parlamentarische Immunität geniesst oder nicht. Staatsanwaltschaft und Blocher haben gewichtige Argumente.

Einen Tag nachdem der Anwalt Christoph Blochers über die Eröffnung eines Strafverfahrens informiert worden war, klopfte die Polizei an der Tür der Villa des Nationalrats in Herrliberg. Ebenfalls durchsucht wurde sein Geschäftssitz in Männedorf ZH. Die Beamten drangen in die Räumlichkeiten ein, beschlagnahmten Computer und Dokumente und versiegelten diese. Der SVP-Stratege protestiert gegen diese Hausdurchsuchung. Er will juristisch gegen die Staatsanwaltschaft vorgehen.
Diese verdächtigt ihn, das Bankgeheimnis verletzt oder jemanden zur Verletzung des Bankgeheimnisses angestiftet zu haben, als er sich dafür einsetzte, Devisengeschäfte anzuprangern, die über das Konto von Notenbankpräsident Philipp Hildebrand liefen.
Kritik des Nationalratspräsidenten
Blochers Anwälte sind der Meinung, ihr Mandant stehe unter dem Schutz parlamentarischer Immunität. Die Staatsanwaltschaft hätte vor der Durchsuchung nicht die gesetzlich vorgeschriebene Zustimmung des Nationalratspräsidenten eingeholt. Zudem seien weitere Optionen in Abklärung, um ihren Klienten Blocher vor dem drohenden Strafverfahren in der Affäre Hildebrand zu schützen, schreiben die «SonntagsZeitung» und der «Sonntag».
Nationalratspräsident und Blochers SVP-Parteikollege Hansjörg Walter zeigt sich im «Sonntag» «überrascht» über das eigenmächtige Handeln der Zürcher Ermittler. Er wolle jetzt mit den Parlamentsdiensten abklären, ob das Vorgehen der Ermittler rechtlich zulässig sei.
Nay: Immunität erst ab Amtseid
Die Zürcher Staatsanwaltschaft ist hingegen der Meinung, dass die Einwilligung des Nationalratspräsidenten nicht nötig war, weil Blocher die möglichen Straftaten vor seiner Vereidigung als Nationalrat begangen habe. Diese Meinung teilen zwei erfahrene Juristen. Für den früheren Präsidenten des Bundesgerichts Giusep Nay ist das Parlamentsgesetz «in Bezug auf den Amtsantritt äusserst klar», wie er im «Sonntags Blick» sagt (Artikel online nicht verfügbar). Die Immunität gelte erst, nachdem der Amtseid geleistet sei. Das geschah am 5. Dezember 2011. Vor diesem Zeitpunkt geniesse ein gewählter Nationalrat keine Immunität. «Das liefe auf eine absolute Immunität hinaus, die die Schweiz so nicht kennt», sagt Nay.
Zwei Tage vor seiner Vereidigung, am 3. Dezember, traf Blocher den Datendieb Reto T. und SVP-Kantonsrat Hermann Lei. Es wird vermutet, dass Blocher T. verschiedene Angebote unterbreitete. Diese dürfte die Staatsanwaltschaft als Anstiftung zum Gesetzesbruch beurteilt haben. Worauf sie das Strafverfahren eröffnete.
Auch Jositsch stützt Staatsanwaltschaft
Nay weist auf eine weitere mögliche Einschränkung der Immunität Blochers hin: Ein Nationalrat geniesse Immunität «nur für Äusserungen im Rat und seinen Kommissionen». Das sieht auch SP-Nationalrat und Strafrechtsprofessor Daniel Jositsch (SP, ZH) so. Man habe die Bestimmungen zur parlamentarischen Immunität letztes Jahr revidiert und relativ klar eingeschränkt.
Jositsch sass damals in der Subkommission, die dieses Geschäft vorberaten hatte. «Diese Handlungen stehen, nach meiner Interpretation und nach der Diskussion damals in der Subkommission, ausserhalb des parlamentarischen Mandats», sagte Jositsch gegenüber «Radio DRS».
Mörgeli: «Schlimme Sauereien»
Dezidiert anderer Meinung ist Christoph Mörgeli (SVP, ZH): «Die Immunität gilt für Dinge, die man als Parlamentarier tut. Blocher hat nur seine Pflicht getan.» Denn beim Nationalbankpräsidium haben sich «schlimme Sauereien» abgespielt.
Der Skandal liege auch bei der Staatsanwaltschaft, sagte Mörgeli. «Der Staatsanwalt hat bei laufendem Verfahren ein Interview gegeben und gesagt, er habe potentielle Beweise.» Man habe da die parlamentarische Immunität missachtet.
Immunitätskommission
Mit diesem strittigen Punkt dürfte sich nächste Woche die neu geschaffene Immunitätskommission beschäftigen. Und es könnte zu einer heftigen Auseinandersetzung kommen: Christoph Mörgeli sitzt als stellvertretendes Mitglied in der nationalrätlichen Kommission. Diese wird zusammen mit ihrer Schwesterkommission des Ständerats über die allfällige Aufhebung der Immunität Christoph Blochers entscheiden. Erst dann könnte die Staatsanwaltschaft die bei der Hausdurchsuchung beschlagnahmten Stücke untersuchen.
Eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft bestätigte gegenüber dem «Sonntag», dass ihre Behörde rechtzeitig zur Kommissionssitzung vom kommenden Mittwoch ihr Gesuch zur Aufhebung der Immunität von Christoph Blocher einreichen wolle.
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