Eine Million Syrer ohne Lebensmittelhilfe
Zu gefährlich: Die UNO kann hunderttausende von notleidenden Menschen in Syrien nicht mit Nahrung versorgen. Auch zu den Chemiewaffen des Regimes gibt es neue Zahlen.

Die kritische Sicherheitslage und fehlende Partnerorganisationen im Krisengebiet sind die Gründe dafür, dass die UNO bedürftige Menschen in Syrien nicht mit Lebensmitteln beliefern kann. Das Welternährungsprogramm (WFP) könne im Januar rund 1,5 von insgesamt 2,5 Millionen Notleidenden helfen, sagte WFP-Sprecherin Elisabeth Byrs heute Dienstag in Genf.
Für die Verteilung der Hilsgüter fehle es an Partnerorganisationen in den umkämpften Gebieten. Und der syrische Rote Halbmond stosse an seine Kapazitätsgrenzen. Das WFP musste in den vergangenen Tagen aus Sicherheitsgründen sein Personal aus Homs, Aleppo, Tartus und Kamsli abziehen. Hilfslieferungen auf dem Seeweg können nicht mehr am Hafen von Tartus entladen werden.
Brot fünf Mal teurer
Brot und Treibstoff würden immer knapper. Es seien nur noch private Bäckereien, die den Betrieb aufrecht erhalten, wie WFP-Sprecherin Byrs erklärte. In Aleppo sei der Preis für ein Kilogramm Brot von 45 syrischen Pfund (rund 60 Rappen) vor einem Jahr auf heute 250 syrische Pfund (3,20 Franken) geschnellt.
Der Mangel an Mehl und Treibstoff sowie wegen Kämpfen geschlossene Strassen verschärften die Notlage noch. Die Lebensmittelpreise in Kampfzonen hätten sich im Durchschnitt verdoppelt, sagte die Sprecherin weiter. Die UNO-Organisation hofft, neue Nichtregierungsorganisationen zu finden, die die Verteilung von Hilfsgütern in allen Provinzen übernehmen können.
Hilfsgruppen schicken 850 Tonnen Mehl
In einer der bisher grössten nicht-staatlichen Hilfsaktionen für die syrische Zivilbevölkerung haben zwei islamische Organisationen 850 Tonnen Mehl auf den Weg gebracht. Die Spenden der Hilfsorganisation IHH in der Türkei und einer Stiftung aus Katar sollen sowohl an syrische Flüchtlinge in der Türkei als auch an Bedürftige in Syrien selbst verteilt werden, wie die IHH heute Dienstag mitteilte.
Die Verteilung des Mehls in Syrien werde über lokale Partnerorganisationen vor Ort organisiert, teilte eine IHH-Sprecherin in Istanbul mit. Dabei werde kein Unterschied gemacht, ob die Flüchtlinge in Oppositionsgebieten oder in den von der Regierung kontrollierten Landesteilen lebten. Das Mehl soll nach Aleppo, Hama, Homs, Latakia und in die Umgebung von Damaskus gebracht werden. Die IHH ist eine der grössten nicht-staatlichen Hilfsorganisationen der Türkei.
1000 Tonnen Chemiewaffen
Syrien soll mehr als 1000 Tonnen chemische Kampfstoffe besitzen. Darunter befänden sich Stoffe wie Sarin, Senfgas und das Nervengas VX sowie die entsprechenden Trägersysteme, teilte die Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW) mit. Die syrische Regierung habe die Existenz der Waffen offiziell nicht bestätigt, sich aber gegenüber der OPCW dafür verbürgt, sie nicht einzusetzen. Dies sagte der Generaldirektor der Organisation, der türkische Diplomat Ahmet Üzümcü, der türkischen Zeitung «Hürriyet» vom Dienstag.
Üzümcü sprach von einer «sehr Besorgnis erregenden Lage». Es gehe vor allem darum, die Chemiewaffen-Lager unter strikter Kontrolle zu halten und eine Verwendung der Waffen in dem seit fast zwei Jahren andauernden Konflikt zu verhindern.
Die OPCW ist eine überstaatliche Organisation mit der Aufgabe, die Einhaltung der Chemiewaffenkonvention zum Verbot der Waffen aus dem Jahr 1992 zu überwachen. Der Konvention gehören 188 Staaten an; Syrien hat nicht unterschrieben.
Neuer Bericht zu Kriegsverbrechen
Menschenrechtler und Oppositionelle haben in Syrien neue Kriegsverbrechen beider Seiten dokumentiert. Das oppositionelle Sham-Nachrichtennetzwerk berichtete, die Regierungstruppen hätten bei einer Razzia in der Ortschaft al-Mastuma in der Provinz Idlib 17 Männer exekutiert.
Die Dorfbewohner suchten noch nach weiteren Opfern, wie es am Dienstag weiter hiess. Die Organisation Syrischer Menschenrechtsbeobachter meldete, Rebellen der islamistischen Al-Nusra-Front hätten drei Soldaten getötet, die sie am vergangenen Samstag in der Stadt Deir as-Saur gefangen genommen hatten.
Video mit «Geständnis»
Die von radikalen Sunniten gegründete Al-Nusra-Front veröffentlichte zudem ein Video, das die drei Männer zeigt. Darin sieht man, wie sie ihre Namen nennen und ihre Zugehörigkeit zur religiösen Minderheit der Alawiten bestätigen. Einem der drei Männer war vorgeworfen worden, er habe in Deir as-Saur eine junge Frau vergewaltigt. Anschliessend sieht man drei Männerleichen in einer Grube liegen.
Laut Aktivisten kamen bei Kämpfen am Montag in Syrien 70 Menschen ums Leben. Am Dienstag bombardieren die Regierungstruppen mehrere Vororte der Hauptstadt Damaskus.
sda/AFP/rub
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