Wer sich vom Bundesrat einen europapolitischen Richtungsentscheid erhofft hatte, wurde gestern enttäuscht. Aussenminister Didier Burkhalter erklärte bloss, beim Rahmenabkommen werde weiterverhandelt. Allerdings soll die Kohäsionsmilliarde stärker als Verhandlungspfand dienen, was zu begrüssen ist. Noch vor kurzem schien es, als sei Burkhalter bereit, das Geld mehr oder weniger vorbehaltlos zu zahlen. Sein gestriger Auftritt war einer der letzten als Aussenminister, und der Romand wirkte wohltuend pragmatisch. Das tut not in einer Zeit, da das Rahmenabkommen wahlweise zum bilateralen Allerheilmittel oder zum Unterwerfungsvertrag hochstilisiert wird.
Aus Sicht der Wirtschaft scheint das Bedürfnis für ein solches Abkommen derzeit nicht sehr ausgeprägt. Es herrscht also kein Zeitdruck, was verhandlungstaktisch von Vorteil ist. Ob die Zeit jedoch tatsächlich für die Schweiz arbeitet, ist offen. So wird eine von Angela Merkel und Emmanuel Macron geprägte EU geeinter und kompromissloser auftreten. Zudem dürfte das Abkommen nicht besser ausfallen, wenn plötzlich die Schweiz auf einen Abschluss drängt, weil ihr ansonsten wirtschaftliche Nachteile erwachsen.
Deshalb ist es richtig, weiterzuverhandeln und gleichzeitig die Europapolitik innenpolitisch besser zu erklären. Denn viele Stimmbürger haben es Burkhalter nie wirklich abgenommen, dass er die Schweizer Souveränitätsansprüche mit letzter Vehemenz verteidigt. Sein Nachfolger wird darlegen müssen, dass die Übernahme von EU-Recht weiterhin zwingend direktdemokratischen Prinzipien unterworfen ist.
Gleichzeitig ist eine differenzierte Debatte über geradezu toxisch anmutende Themen wie den Mechanismus zur Streitschlichtung nötig. Auch die Schweiz hat Interesse an einer Instanz, an die sie sich wenden kann, wenn ihre Firmen in der EU benachteiligt oder Abkommen verletzt werden. Ob die Kombination von Europäischem Gerichtshof und Gemischtem Ausschuss die beste Lösung ist, bleibt offen. Dies muss nach Verhandlungsende im Wissen um mögliche Sanktionsmassnahmen beurteilt werden. Als nüchterne Güterabwägungund losgelöst von parteipolitischen Dogmen.
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Eine nüchterne Güterabwägung
Daniel Foppa, Ressortleiter Inland, über die Europapolitik des Bundesrats.