Eine Portion Fink gegen den GC-Abstieg
Heute gilt es ernst: Thorsten Fink kann in seinem ersten Spiel mit den Grasshoppers gegen Lausanne einen grossen Schritt zum Ligaerhalt machen.

Es war eine im ersten Augenblick reichlich verquere Aussage. Und doch wurde irgendwie klar, was damit gemeint war. «Das hab ich alles schon erlebt», pflegte Thorsten Fink in seiner Anfangszeit beim FC Basel immer mal wieder zu sagen, wenn er vor einer kniffligen Entscheidung stand. Um dann anzufügen: «Also, nicht ich.»
Was er meinte: Wer wie er auf 650 Partien als Fussballprofi zurückblickt, wer die Champions League gewonnen hat, die deutsche Bundesliga und den Cup, der hat einen netten Erfahrungsschatz angesammelt. Eben: «Das hab ich alles schon erlebt.» Nur halt als Spieler und nicht als Coach. «Also, nicht ich.» Basel war ja erst seine zweite Station als Cheftrainer eines Profiteams.
Heute, neun Jahre später, mit der Erfahrung von 377 Partien als Trainer, darf Fink getrost den Zusatz weglassen und sagen: «Ich habe alles schon erlebt.» Tut er natürlich auch bei seiner Vorstellung als neuer Chefcoach der Grasshoppers: «Ich habe mit Basel oben mitgespielt, ich war mit Hamburg im Abstiegskampf. Ich habe alles mitgemacht.»
«Ich habe mit Basel oben mitgespielt und war mit Hamburg im Abstiegskampf. Ich habe alles mitgemacht.»
Fink war schon immer einer, der gerne seine Vorzüge offensiv anpreist. Das kann einem leicht als Grossspurigkeit ausgelegt werden, der als Deutscher in der Schweiz ja von vornherein unter einem gewissen Generalverdacht steht. In Wirklichkeit aber ist dieses zur Schau getragene Selbstvertrauen eine seiner grössten Stärken. Der 50-Jährige ist nicht nur von sich selber überzeugt. Er kann diese Überzeugung vor allem auch auf andere übertragen.
Das Risiko als Chance
Diese Fähigkeit wird er schon heute gebrauchen können, wenn seine Grasshoppers auswärts auf Lausanne treffen. Es ist eine Partie, in der GC einen wohl schon entscheidenden Schritt weg vom Tabellenende und damit vom Abstiegsplatz machen kann. Gewinnen die Zürcher, lassen sie Lausanne schon sieben Punkte hinter sich. Mit einer Niederlage würden sie aber auch wieder ganz tief hinten hineinrutschen.
Nicht, dass Fink sich gross mit dem zweiten Szenario auseinandersetzen würde. Schliesslich sieht er im Risiko stets die Chance. Frühere FCB-Spieler erzählen noch heute davon, wie Fink ihnen so lange Selbstvertrauen einflösste, bis sie sogar noch nach einem 0:2-Pausenrückstand bei Manchester United an einen Auswärtssieg zu glauben begannen. Und dafür im Old Trafford mit einem spektakulären 3:3 belohnt wurden.
GC kann eine Portion Fink gegen die zittrigen Knie gut gebrauchen. Die Mannschaft hat beim 4:3 über Lugano zwar bewiesen, dass noch Leben in ihr steckt. Aber sie hat vor der letzten, spektakulären Wende zum Heimsieg auch ein 3:1 äusserst naiv hergeschenkt: mit einem Elfmeter und einem Eigentor. Das spricht dafür, dass die GC-Nerven der Belastung des Abstiegskampfs nicht ohne Einschränkungen gewachsen sind.
Was die Spieler nicht wussten
Fink hat gleich nach seiner Ankunft in Niederhasli begonnen, seine Mannschaft mit neuer Zuversicht zu versorgen. Noch am Montag, gleich nach der Unterzeichnung seines Vertrags, stand er vor die Spieler und erzählte ihnen wundervolle Dinge, die sie zuvor wahrscheinlich nicht einmal selbst über sich gewusst hatten. Zum Beispiel, dass in dieser Gruppe, die auf Aussenstehende wie ein Flickwerk wirkt, «viel Potenzial» schlummere, das «auf eine grosse Zukunft» hoffen lasse. Oder dass die Spieler «als Mannschaft zusammengewachsen» seien in den letzten Wochen. Und dass sie bewiesen hätten, dass sie solidarisch füreinander einstehen können. Und für die, die es nach diesen Worten nicht selbst erkannt hatten, stellte Fink noch klar: «Ich bin ein Menschenfreund.»
So viel zu Finks Fähigkeiten als Motivator. Was er taktisch mit der Mannschaft vorhat, mag er vorerst nicht gross ausführen: «Der Gegner soll sich auch noch ein paar Gedanken machen müssen.» Nur so viel: «Wir werden uns nicht nur hinten reinstellen.»
Wobei die Knobelarbeit für Lausanne nicht so schwierig sein dürfte. Bei der Wiener Austria, seiner letzten Station vor GC, liess Fink meist ein 4-3-3 spielen, das stark jenem System ähnelt, das die Grasshoppers in den letzten drei Partien unter Interimstrainer und Sportchef Mathias Walther angewandt haben. Es wäre eine Überraschung, wenn Fink bloss fünf Tage nach seiner Ernennung als GC-Trainer das gesamte Dispositiv über den Haufen werfen würde.
GC die Lust, Lausanne die Last
GC ist in dieser Saison schon einmal nach einem Trainerwechsel nach Lausanne gereist. Das 1:1 Ende August unter Interimstrainer Boro Kuzmanovic war ein Fehlerfestival zweier verunsicherter Mannschaften. Damit das Nervenkostüm seiner Spieler dieses Mal hält, deutet Fink die Ausgangslage flugs so: «Wir können einiges gewinnen. Und Lausanne hat viel zu verlieren.» Nach dem Motto: GC die Lust, Lausanne die Last.
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