
Fast ein Jahr hat der Ständerat gebraucht, um die Reform der beruflichen Vorsorge (BVG) zu beraten. Ein Ziel war, die Renten der Frauen zu verbessern, vor allem jene von Geringverdienerinnen. Allerdings liegt es in der Mechanik der zweiten Säule, dass Rentenerhöhungen für Geringverdienende einen relativ hohen Preis haben. Wer 3300 Franken brutto verdient, muss künftig monatlich 128 Franken BVG-Beiträge bezahlen statt wie bisher 43 Franken. Nach 40 Jahren resultiert eine Monatsrente von 794 Franken statt wie bisher 364 Franken.
Das tönt nach einer stattlichen Rentenverbesserung, aber die Rente reicht trotzdem nicht zum Leben. Zusammen mit der AHV kommt eine solche Arbeitnehmerin auf eine Rente von etwa 2700 Franken und ist weiterhin auf Ergänzungsleistungen angewiesen. Die Rentenverbesserung nützt ihr nichts, weil ihr EL-Anspruch um den Betrag der Rentenerhöhung reduziert wird. Für tiefere Einkommen ist die Kosten-Nutzen-Bilanz noch schlechter. Die höheren Lohnbeiträge müssen zudem auch die Arbeitgeber bezahlen, weshalb das Gewerbe mit vielen Teilzeiterwerbenden und Geringverdienern die Reform bekämpfen wird wie die Linke.
Auch der Pensionskassenverband ist unzufrieden, weil Geld mit der Giesskanne verteilt werde. Hier kommen wir zum Kern der Reform, der Senkung des sogenannten Umwandlungssatzes. Pro 100’000 Franken Alterskapital werden statt 6800 nur noch 6000 Franken Jahresrente ausbezahlt, eine Kürzung um 12 Prozent. Der Ständerat will das abfedern, indem er wenigstens rund der Hälfte der Versicherten einen Rentenzuschlag von 100 bis 200 Franken gewährt. Der Pensionskassenverband findet das jedoch übertrieben und will wie der Nationalrat nur jenen einen Zuschlag ausrichten, die effektiv eine Rentenkürzung erleiden. Faktisch seien nur noch 15 Prozent im gesetzlichen Minimum versichert, so der Verband.
Mehr als die Hälfte müsste Zuschlag erhalten
Die meisten haben tatsächlich überobligatorische Leistungen, was aber nicht gleichzusetzen ist mit Luxusrenten. Überobligatorische Leistungen haben Versicherte schon dann, wenn ihre Arbeitgeber etwas höhere Beiträge bezahlen als die gesetzlich vorgeschriebenen oder einen Jahreslohn von über 86’000 Franken versichern.
Gerade Versicherte mit Leistungen, die nur wenig über dem Obligatorium liegen, mussten in den letzten Jahren erhebliche Rentenkürzungen hinnehmen, weil auf ihrem Alterskapital die Umwandlungssätze auf 5 oder gar 4,5 Prozent gesenkt wurden. Betroffen sind weite Kreise des Mittelstandes, die am Schluss aus dem überobligatorischen Sparkapital kaum mehr eine Rentenleistung erhalten, wenn sie bei den Ausgleichszahlungen nun leer ausgehen. FDP-Ständerat Damian Müller brachte es in der BVG-Debatte auf den Punkt: «Diese Versicherten haben buchstäblich für die Katz einbezahlt.»
Um das zu verhindern, müsste mehr als die Hälfte der Versicherten einen Zuschlag erhalten. Dies wäre mit dem von den Sozialpartnern ausgehandelten Kompromiss der Fall gewesen, der allen Versicherten einen Rentenzuschlag gewährt hätte und solidarisch finanziert worden wäre. Diese Vorlage wurde aber von Bürgerlichen schlechtgeredet als «Giesskanne» und «Mini-AHV». Als Alternative hat das Parlament eine Reform erarbeitet, die in einer Volksabstimmung geringe Chancen hat. Die Linke wird sie mit dem Argument bekämpfen, dass die Versicherten mehr bezahlten und weniger erhielten. Ein Teil der Bürgerlichen und der Wirtschaft wird die Reform ablehnen, weil sie ihnen zu teuer ist. Zurück bleibt das unerfüllte Anliegen der Frauen nach besseren Renten.
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Analyse zur zweiten Säule – Eine Rentenreform, die kaum jemandem etwas bringt
Die Frauen müssen sich die Rentenerhöhung teuer erkaufen, und der Mittelstand geht leer aus. Das sind schlechte Voraussetzungen für eine Volksabstimmung.