
Für die bürgerlichen Parteien ist das massive Nein zur Unternehmenssteuerreform (USR) III ein politisches Debakel, für Finanzminister Ueli Maurer ist es ein persönliches Waterloo. Nach dem Gripen-Absturz vor drei Jahren verliert er auch seine zweite kapitale Abstimmung als Bundesrat.
Dabei haben die Befürworter den Abstimmungskampf aus einer Position begonnen, in der sie eigentlich nicht verlieren konnten. Nicht einmal die Referendumsführer stellen grundsätzlich in Frage, dass die Schweiz eine grosse Steuerreform braucht. Und hinter der Vorlage, wie sie schliesslich zur Abstimmung kam, standen Parteien von SVP bis GLP, der Bundesrat, 25 von 26 Kantonen, die Wirtschaftsverbände. Wenn die Stimmbürger in der grundbürgerlichen Schweiz trotz so viel Support derart klar Nein sagen, muss einiges schief gelaufen sein.
Anliegen der Städte ignoriert
Auf die schiefe Bahn kam die Vorlage bereits im Parlament. Grundidee und -struktur der Vorlage waren und sind eigentlich clever, beim Feinschliff verlor die bürgerliche Mehrheit aber das politische Augenmass. Massvoll, fair und steuersystematisch richtig wäre gewesen, die unvermeidlichen Steuerausfälle bei den Firmen wenigstens teilweise bei den Firmeneigentümern, also den Aktionären, zu kompensieren. Der fast vollständige Verzicht auf eine Gegenfinanzierung hat den Gegnern leichtes Spiel gemacht. Die Anliegen der grossen Städte hat das Parlament sogar gänzlich ignoriert. Damit wurden die Städte zu mächtigen Gegnern im Abstimmungskampf.
Verschlimmert hat das Ja-Lager die Sache mit seiner Abstimmungskampagne. Wenn eine Vorlage so komplex ist wie die USR III, ist es entscheidend, welchem Lager die Stimmbürger mehr vertrauen. Doch statt bei den Bürgern um dieses Vertrauen zu werben, statt ihnen die Vorlage sachlich und unaufgeregt zu erklären, griffen die Befürworter zur Angstkeule. Je knapper die Umfrageresultate wurden, desto schriller warnten gewisse Exponenten vor Stellenabbau und dem Massenexodus von Firmen.
«Trump-Effekt»?
Finanzminister Maurer ging sogar so weit, für den Fall eines Nein, ein milliardenschweres Sparprogramm anzudrohen. Spätestens als auf der Gegenseite auch noch eine respektierte Politikerin wie Eveline Widmer-Schlumpf auftauchte und erklärte, eine ausgewogenere Vorlage wäre möglich gewesen, war die Sache gelaufen. Den letzten Rest Glaubwürdigkeit verspielten die Finanzdirektoren der Kantone, als sie eine Woche vor der Abstimmung die «Garantie» abgaben, die Steuern für den Mittelstand nicht zu erhöhen. Eine solche Garantie, das spürt jeder Stimmbürger, kann es gar nicht geben.
Doch diese Faktoren reichen noch nicht, um das Ausmass des Nein zu erklären. Bei der USR III dürfte auch ein «Trump-Effekt» mitgespielt haben. Ein Teil des Neins zur USR III ist auch ein diffuses Votum gegen die Globalisierung, gegen undurchsichtige Konzerne, gegen eine als abgehoben empfundene Managerkaste: Das zeigt sich etwa daran, wie deutlich viele ländliche, von der SVP dominierte Gemeinden im Aargau Nein gesagt haben. Es rächt sich bei diesem Urnengang auch, dass die SVP seit zwanzig Jahren die Institutionen madig macht. Man kann nicht dauernd die politischen und wirtschaftlichen Eliten verunglimpfen und dann dem Stimmbürger auf einmal sagen: «Bei der komplizierten Steuerreform, da müsst Ihr einfach den Eliten vertrauen.» Es ist eine Ironie dieses Abstimmungssonntags, dass der verantwortliche Bundesrat der SVP angehört. Ueli Maurer wird bei der USR III auch ein Opfer jener Geister, die er selber herbei gerufen hatte.
Maurer vor Herausforderung einer USR IV
Dass die Schweiz zumindest im ersten Anlauf nicht in der Lage ist, ihre Unternehmensbesteuerung zu reformieren, ist nicht gut für das Land. Wegen des internationalen Drucks kommt die Schweiz um eine Steuerreform nicht herum. Das Scheitern der Vorlage verlängert für die Firmen, die der Schweiz den Wohlstand bringen, die Phase der Rechtsunsicherheit. In den Konzernzentralen dürfte das Vertrauen in die politische Stabilität der Schweiz an diesem Sonntag nicht gewachsen sein.
Bundesrat Maurer steht nun vor seiner bisher grössten Herausforderung als Bundesrat: Er ist gefordert, in Rekordfrist eine neue Vorlage zu zimmern, die erneut im Parlament, erneut bei allen Kantonen und neu auch bei den Stimmbürgern eine Mehrheit findet. Diese Aufgabe ist bei weitem nicht so einfach, wie das die Linke im Abstimmungskampf dargestellt hat. Eine weitere Niederlage liegt für die Schweizer Wirtschaft aber schlicht nicht drin. Und für Ueli Maurer geht es bei der USR IV auch um sein politisches Vermächtnis als Bundesrat.
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Eine schallende Ohrfeige
Finanzminister Ueli Maurer wird beim klaren Nein zur USR III ein Opfer jener Geister, die er selber herbeigerufen hatte.