Einer gegen alle – zum zweiten Mal
Starke bürgerliche Gegner, schwindende Unterstützung im Volk: Droht Thomas Minders Kampf gegen die Abzocker kurz vor dem Höhepunkt zu scheitern? Nicht unbedingt – der Schaffhauser Ständerat hat es schon einmal allen gezeigt.

Der kommende 3. März ist der bislang wichtigste Tag in Thomas Minders politischem Leben. Er dürfte auch eine wichtige Weichenstellung für sein gesamtes Wirken sein, hat er sich doch als Unternehmer seit Jahren mit seinem Anliegen exponiert und mit viel persönlichem Einsatz gegen die Abzockerei mobilisiert. Im Kampf gegen die Gier der Manager stemmt sich Minder jedoch als David gegen Goliath – als lokaler Patron gegen den mächtigsten Wirtschaftsverband der Schweiz und gegen eine breite bürgerliche Front.
Und die ungleich langen Spiesse zeitigen je länger, desto mehr Wirkung: Kurz vor Minders politischem Zahltag schwindet gemäss einer Umfrage die Unterstützung für seine Abzockerinitiative, und im Rahmen der millionenschweren Economiesuisse-Kampagne platzieren die Gegner ihre Argumente in immer grösserer Dichte. Trotz guter Nachrichten wie dem Ja der Zürcher SVP erfolgen mittlerweile auch die Hiobsbotschaften für Minder in kurzen Intervallen: So haben etwa am Wochenende die Delegierten von CVP und BDP die Nein-Parole beschlossen. Droht Minders Kampf also kurz vor dem Höhepunkt zu scheitern?
Minders Erfolg im Ständeratswahlkampf
Eine Niederlage muss – auch unter erschwerten Bedingungen– nicht sein, wie der Neuhauser Trybol-Chef schon einmal gezeigt hat. Mit einem Paukenschlag holte er sich im Spätherbst 2011 jenen Schaffhauser Ständeratssitz, den die FDP auf sicher zu haben glaubte: Als der parteilose Einzelkämpfer Minder reichlich spät seine Kandidatur für den frei werdenden Sitz von Peter Briner (FDP) bekannt gab, war die Partei zunächst nur mässig alarmiert. Und säuerlich registrierten die etablierten Schaffhauser Parteien und deren Kandidaten im Wahlkampf, dass sich Minder um politische Gepflogenheiten foutierte. Für Termine oder Podien mit anderen Kandidaten interessierte er sich kaum. Stattdessen listete er in seitenfüllenden Inseraten seine politischen Forderungen auf. Die Atemlosigkeit, mit der er seine Argumente mündlich vorträgt, waren sogar auf diesen papierenen Manifesten spürbar.
Und seine Konkurrenten spürten bald irritiert: Hier agiert einer tatsächlich ohne Rücksicht auf Verluste, hier spricht einer ohne Punkt und Komma, und hier lässt einer andere Argumente nicht gelten. Doch genau diese Kompromisslosigkeit, dieser Biss, diese unbequemen Regelbrüche schienen dem Volk zu gefallen. Und das, obwohl er bis dahin noch nie ein politisches Amt bekleidet hatte und daher für die Stimmbürger inhaltlich kaum fassbar war. Als Parteiloser kündigte er an, sich in der Fraktion entweder den Grünliberalen oder der SVP anschliessen zu wollen – ein ausgesprochen breites Spektrum. Aber Minder hatte sich zu jenem Zeitpunkt bereits mit zwei Anliegen national exponiert: mit der Abzockerinitiative und mit seinem Engagement für die Swissness. Und genau damit schien er im Volk einen Nerv getroffen zu haben – einen so starken, dass er mit einem Ständeratssitz honoriert wurde.
Minders Parallelen zu Blocher
Nach Minders Wahl wusste schliesslich auch eine konsternierte FDP um die Sprengkraft seiner Argumente. Und auch die anderen Parteien blieben verkatert zurück, denn sein Wahlerfolg war Ausdruck einer diffusen Unzufriedenheit mit dem Establishment; sie brachte das politische Gefüge in Schaffhausen gehörig ins Wanken. Kaum im Amt, wurde Minder denn auch nicht müde, sich auf nationaler Ebene von ebendieser politischen Klasse – der er nunmehr jedoch selber angehört – zu distanzieren: Bereits an seinem ersten Sessionstag nörgelte er über das langsame Tempo und die formellen Abläufe im Ständerat. «Schweisstropfen bekommt man in diesem Haus nicht», lautete damals sein Fazit.
Nach wenigen Monaten brüskierte er die Ratskollegen vollends, indem er die kleine Kammer als «Kindergarten» und «Streichelzoo» bezeichnete, in der die Ständeräte ständig «Tubel-Vorschläge» einreichen würden. Er polterte und fluchte; das jahrelange Hickhack um seine Abzockerinitiative hatte ihn gewaltig in Rage gebracht. Zudem wies der politische Eigenbrötler immer lauter auf den grossen Einfluss der Lobbyisten unter der Bundeshauskuppel hin. Kurz: Überall witterte er unethisches Verhalten. Mit solchen Äusserungen betonte er einerseits seine Unabhängigkeit und warf andererseits mit Blick auf das Volk rhetorische Fragen auf: Sollte seine Abzockerinitiative verhindert werden, weil es um die Wahrung von Interessen ging? Mehr oder weniger geschickt säte er damit Misstrauen. Gleichzeitig rückte das Initiativkomitee in der Kampagne von Anfang an die Person Minders in den Vordergrund, der als parteiloser Einzelkämpfer nicht im Ruf steht, von fremden Interessen geleitet zu sein.
Einer gegen die herrschende politische Klasse – Minders zum Kampf stilisierter Einsatz für Schweizer Tugenden und Errungenschaften erinnert an einen anderen politischen Querulanten. Hier Minder – da das Establishment. Und dazwischen das Volk. Das kennt die Schweiz von SVP-Übervater Christoph Blocher. Und dessen personenzentrierte Kampagnen wurden in der Vergangenheit an der Urne mehrfach belohnt – wie Minder bereits mit einem Ständeratssitz in Schaffhausen. Wird auch das Schweizer Stimmvolk dem selbst ernannten David den Sieg gönnen?
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