Sweet Home: Reise fürs GemütEinfach wieder mal weg!
Hüpfen Sie über die Grenze und entdecken Sie Märchenhäuser, Schifffahrten und endlos weite Landschaften am Bodensee.
Über die Grenze

Jeden Sommer zieht das Fernweh – aber diesen Sommer ganz besonders. Um es zu stillen, muss man gar nicht weit reisen. Kaum ist man über die Grenze, öffnen sich die Landschaften und Weite erfreut das Auge und das Gemüt. Letztes Wochenende habe ich eine solch kleine Reise mit grossen Gefühlen gemacht, nämlich an den Bodensee. Es war eine spannende Pressereise mit Journalisten aus ganz unterschiedlichen Ländern. Eingeladen hat die Deutsche Zentrale für Tourismus, und es ging hauptsächlich um kleine lokale Foodproduzenten, von denen Sie hier auch bald lesen werden. Doch erstmal ist das Gefühl an der Reihe: Den Koffer zu packen, abzureisen und Neues zu entdecken, tut in dieser schwierigen, seltsamen Zeit besonders gut.
Eine Stadt, die wir besuchten, kannte ich schon ein bisschen: Lindau, an der Grenze zur Schweiz und zu Österreich. Als ich noch halb in München lebte, haben wir auf der Zugreise dorthin oft in Lindau halt gemacht, damit Miss C. – unser Hündchen, das damals noch so jung war wie Daisy jetzt – sich die Beine vertreten konnte. Mir imponieren jedesmal der grosse Leuchtturm und der Löwe. Beide strahlen eine gewisse Grösse und Stattlichkeit aus, die zuhause in unserem ebenfalls wunderschönen, aber halt kleinen Land nicht wirklich existiert. Der Löwe ist das bayerische Wappentier und zeigt, dass Lindau zu Bayern gehört, genauer zum Bezirk Schwaben.
Märchenhäuser

Das Städtchen Lindau ist eine Insel. Wir spürten das immer deutlich, wenn der Zug in eine Richtung einfuhr, die Lokomotive ausgewechselt wurde und wir dann mit der Diesellok in die andere Richtung wieder hinaustuckerten. Zur bayerischen Stattlichkeit gehört eben auch immer die Gemütlichkeit, und damit sind wir zurück bei einem wichtigen Sweet-Home-Thema: Gemütlichkeit, ein Wort und wahrscheinlich auch ein Gefühl, das nur in den Regionen und Ländern existiert, in denen das Zuhause auch ein Daheim ist.
Diese Theorie habe ich im Buch «The Making of Home» von Judith Flanders gelesen. Die Autorin schreibt, dass es nur dort richtig gemütlich ist, wo es in der Sprache ein Wort hat für das Heim, also nicht bloss für das Haus. Das ist so in nordischen Ländern wie England, Holland, Skandinavien oder in den Alpenländern. Nicht, dass man in den mediterranen Ländern nicht auch schön wohnt, aber dort spielt sich ein wichtiger Teil des Lebens eher draussen ab.
Für mich kommt in Deutschland, dem Land der Märchen, noch etwas Verzaubertes dazu. Das, weil unsere wichtigsten Märchen von dort kommen und weil die meisten Bilderbücher meiner Kindheit eine deutsche Welt zeigten, mit Störchen auf den Dächern, dem dichten, grünen Hexenwald, den Brezen und Lebkuchen in Hänsel und Gretel, dem Nussknacker und Mausekönig, den Frau Holle-Wolken und romantischen Schlössern. So steht zwar hier in Lindau, vor diesem märchenhaften Rathaus aus dem 15. Jahrhundert, keine goldene Kutsche, aber immerhin ein hübsches, silbernes Retroauto.
Es war einmal …

Leider waren die Geschäfte bei unserem Bummel durch die Altstadt geschlossen. Aber es machte auch Spass, die Fassaden und die Schaufenster zu betrachten. Ein grosser Unterschied zu meiner Heimatstadt Zürich, in der alles supertrendy ist und Luxus und Brands eine wichtige Rolle spielen, ist die Art der Geschäfte: Man findet stattliche, elegante Adressen, die noch eine Kompetenz in einem bestimmten Bereich ausstrahlen, wie hier dieses edle Herrenmodegeschäft. Da leuchtet einem nicht bloss ein einziges bekanntes Label entgegen, sondern es öffnet sich eine ganze Welt. Ich habe auch Haushaltswarengeschäfte entdeckt – mit Kupferpfannen, Töpfen, Schüsseln, Geschirr und Bestecken, etwas, das ich in meiner Stadt auch schon lange nicht mehr wirklich sehe.
Im kleinen Café

Zwischen den Geschäften findet man Coiffeure und Konditoreien, in denen man Kaffee und riesige Kuchenstücke geniesst. Diese Kaffee-und-Kuchen-Zeit ist typisch für Deutschland und wird von allen gepflegt und geschätzt. Dabei geht es nicht um die chicsten und angesagtesten Lokale, auch nicht um Sehen und Gesehen werden, sondern wieder einmal um die Gemütlichkeit und möglichst viel Rahm, Pardon: Sahne!
Gegen den kleinen und grossen Hunger findet man in Lindau hübsche Cafés und Restaurants. Hier ist das Casita Rosa, in dem es herrliche Tapas und Tortillas gibt. Mit der Gruppe haben wir im Restaurant Eilguthalle am Lindauer Hafen gegessen, auf der Terrasse mit einem schönem Blick auf den Sonnenuntergang. Es war fein und das Restaurant ist hübsch, modern, grosszügig und voller Vintageautos, welche Autoliebhaber bestimmt begeistern.
Ich erinnere mich aber auch noch an die Cocktails, die ich jeweils mit meinem Mann im Hotel Bayerischer Hof genossen habe. Wir fühlten uns immer wie an der Riviera. Lindau wird übrigens auch die Bayerische Riviera genannt. Und wenn ich wieder mal privat an den Bodensee reise, dann würde ich wahrscheinlich dort ein Zimmer buchen. Aber ich müsste auch noch tüchtig recherchieren. Wir wohnten auf der Reise in einem komfortablen Mittelklasse-Hotel in Fischbach, aber da für mich Sweet Home auch in den Ferien wichtig ist, müsste ich eine Unterkunft finden, die mehr Charakter hat – und natürlich eine, in der Hunde erlaubt sind. So kann ich Ihnen hier leider keinen guten Übernachtungstipp geben.
Fernweh

Der Bodensee ist viel grösser als der Zürichsee, und man hat gar ein kleines bisschen Meergefühl, was natürlich heilsam ist bei Fernweh. Ein Spaziergang am Hafen, auf den Promenaden in den Parks und auf den Wegen am Seeufer ist auf jeden Fall ein Muss, das man mit Musse angehen sollte. Denn: Spielt das Wetter mit, wie es bei uns an diesem Tag der Fall war, dann plätschert das Leben am Wasser golden, friedlich und freundlich dahin. Man kommt ins Träumen, möchte mit den Schwänen auf dem Wasser tanzen und eine lange Schifffahrt unternehmen.
In die Luft

Diese Schiffsreise haben wir denn auch gemacht, wenn auch nicht eine wirklich lange, doch eine schöne und zum Glück auch bei schönem Wetter. Begonnen aber hat sie in der Luft – oder zumindest so ähnlich: Der Hafen in Friederichshafen, wo wir einstiegen, liegt beim Zeppelinmuseum. Dieses befindet sich in einem wunderschönen Bauhausgebäude. Ich konnte leider bloss kurz reinschauen, denn das Schiff war startklar. Aber das Museum steht auf meiner Liste, wenn ich wieder mal zurückkomme. Und das werde ich, denn es ist ja bloss ein Sprung entfernt von der Schweiz. Am Himmer schwebten Zeppeline, während das stolze, grosse Schiff auf den Bodensee hinausglitt.
Auf den See

Wir durften zum Kapitän aufs Deck, der hier bloss für das Foto die Maske ausgezogen hat. Ich stellte mir eigentlich ein Schiffsteuer eher so vor wie die im «Titanic»-Film und nicht wie ein DJ-Pult. Aber Kapitän Uwe Dess strahlte so viel Stil und Berufsstolz aus, dass nicht nur das Steuer, sondern auch das Schiff in Ozeangrösse wuchs. Er hat uns viele Anekdoten erzählt, schliesslich kenner er nicht nur die Küste, sondern auch deren Menschen und Geschichten.
Langsamkeit ahoi!

Dazu gehören auch die Dornier-Werke, ein Webstuhlhersteller, den ich von meiner Zeit als Textildesignerin kannte. Bekannter sind die Werke wegen ihrer Flugzeuge, und es gibt auch ein Dornier-Museum, das der Luft- und Raumfahrtgeschichte gewidmet ist.
Schifffahrten haben noch stärker als Zugfahrten eine sehr beruhigende Wirkung. Das Gleiten auf einem grossen, blau schimmernden Gewässer, das Vorbeiziehen von Ufern, die Segelboote und Wasservögel lassen den Alltag vergessen.
Ankommen

Das Ziel unserer Reise war das pittoreske Städtchen Meersburg. Es war an diesem Samstagvormittag voller Ausflügler, eine Hochzeit wurde gefeiert, und die Menschen genossen das schöne Wetter und die freie Zeit. Meersburg war dennoch nicht überlaufen und strahlte immer noch eine angenehme Gemächlichkeit aus.
Rosarot und Himmelblau

In der freien Stunde bummelte ich durch die Gässchen und erfreute mich an den hübschen Häuschen, alles echte «Sweet Homes», die mit Blumen bewachsen sind, Farben zeigen, zum Teil mit Bildern bemalt sind und nicht selten Rüschenvorhänge hinter den Fenster haben.
Märchenschloss

Die Niedlichkeit paart sich mit einer Grandezza. Die Terrasse vor dem grossen Schloss Meersburg mit ihrer dramatisch schönen Aussicht auf den See liess mich gar ein wenig an das italienische Ravello denken, dem magischen Ort, an dem ich in letzten Sommer in den Ferien war. Von der Gartenterrasse aus sieht man aber nicht die amalfitanische Küste, sondern das Schweizer Ufer des Bodensees mit den prächtigen Bergen.
Barocke Welten

Ins rosarote Barockschloss musste ich rein. Schlössern und Kirchen kann ich nie widerstehen. Putten, Barock, Kunst und das grosse Leben in anderen Zeiten fehlen, wenn man in einer einer bürgerlichen, protestantischen Stadt lebt. Nicht, dass ich Zürich nicht liebe, aber manchmal tut Grossartigkeit ganz einfach gut. Und grossartig sind sie, die barocken Interieurs mit ihren Malereien und Stuckaturen.
Sweet Home von damals

Einige Zimmer sind eingerichtet, und so bewunderte ich schöne Möbel, Himmelbetten, Tapisserien und fantastische Keramiköfen, die wie üppige, dekorative Statuen in den Räumen stehen.
Romantik

Gegessen haben wir im hübschen, sehr romantischen Restaurant Alte Post direkt am See. Wir tranken Wein aus der lokalen Rebsorte Müller Thurgau und genossen Gerichte wie Salatteller mit Eierschwämmen, die hier Pfifferlinge heissen, Seefisch oder Käsespätzle. Hintergrundmusik war das leise Plätschern des tiefblauen Wassers.
Schule im Schloss

Ein anderes barockes Wunder haben wir in Salem besucht. Das Kloster wurde im 12. Jahrhundert gegründet, wurde später durch einen Brand zerstört und im 18. Jahrhundert wieder aufgebaut. Im 19. Jahrhundert wurde es durch die Säkularisation zum Schloss. Es kam in den Besitz des Markgrafen von Baden, wurde zum Wohnort der markgräflichen Familie und ist seit 1920 auch das Zuhause der berühmten Internatsschule Salem.
In diese Schule ging übrigens auch kurz Prinz Philip, der kürzlich verstorbene Ehemann der englischen Königin. Gegründet wurde die Schule vom Politiker und Pädagogen Kurt Hahn. Dieser wurde zur Zeit des Nationalsozialismus verhaftet, emigrierte nach Schottland und gründete dort die Schule Gordonstoun, die dann Prinz Philip wieder besuchte, später auch Prinz Charles und andere Mitglieder der britischen Königsfamilie.
Lüftlmalereien

Gotik trifft hier auf Barock. Das barocke Gebäude zeigt wunderschöne Trompe-l'oeil-Malereien. Als wir später noch ins Allgäu reisten, um die Käseproduktion zu beschnuppern, fuhren wir auch an einigen wunderschön bemalten Häusern vorbei. Diese aber waren bäuerlich und mit Blumen und Figuren bemalt. Unser Reiseführer erzählte uns, dass dies «Lüftlmalereien» seien und es in Bayern und in Tirol sehr viele solche Häuser gibt. Statt dem eleganten Vortäuschen von Architektur, malten die Menschen lieber ganze Märchen an ihre Fassaden. Das Rathaus in Lindau ist auch auf diese Art bemalt.
Der Weinberg

Auf dem Schlossgelände spazierte ich zwischen vielen Kindern herum. Sie waren wahrscheinlich Internatsschülerinnen und -Schüler, denn sie trugen blaue Sweatshirts mit dem Aufdruck Salem. Das Schloss ist umgeben von Weinbergen und öffnet sich in eine weite Landschaft.
Weite Landschaften

Es sind diese weiten Landschaften, die das Herz zur Bodenseeregion öffnen. Nach so langer Zeit daheim, in der eigenen Stadt, in einer kleinen Welt, atme ich auf in dieser herrlichen Weite. Üppige, liebliche Hügel, Felder und zerstreute Dörfer sind wirklich wie in aus einem Bilderbuch.
Störche auf dem Dach

Noch mehr wie aus dem Bilderbuch sind die Störche auf den Dächern. Wir mussten bei diesem Gasthof ganz einfach Halt machen, weil wir alle dieses märchenhafte Wunder fotografieren wollten. Mit dem bedeckten Wetter und den grauen Regenwolken hatte die Szene auch einen dramatischen Effekt. Nicht nur auf dem Gasthof, sondern auf dem umliegenden Dächern und Bäumen hausten Störche, die alle ihre regennassen Federn putzten.
Entspanntes Sommerleben

Zurück am See und hinter den Wolken ist das Uferleben am Bodensee wunderbar entspannt. Überall gibt es kleine Cafés und Kioske, Pärke, Promenaden und Bademöglichkeiten. Und da es viel Platz hat, ist das sommerliche Leben zwar fröhlich, aber in einem ruhigen, angenehmen Fluss. Man findet überall einen Ort zum Verweilen und Schwimmen, es türmen sich keine Abfallhaufen, und die Stimmung ist angenehm weit weg von Clubambiente oder Szenetreff.
An unserem letzten Abend ging ich das erste Mal schwimmen in diesem so schwierigen Sommer. Es war herrlich! Wir sassen dann, die ganze Gruppe, lange am Steinstrand, in der Nähe des Hotels, holten uns Bier und Wein vom kleinen, altmodisch charmanten Kioskcafé in der Nähe und plauderten. Die Nacht war lau und der See ruhig und alle waren glücklich, endlich den Sommer so richtig geniessen zu können. Bis das nächste Gewitter aufzug. Die gelben Sturmlampen zeichneten dramatische Schatten, und Blitze leuchteten hinter den Bergen am gegenüberliegenden Schweizer Ufer.
Grosse, weite Welt

Am anderen Tag reisten wir alle wieder in unsere Heimat zurück, nachdem sich unsere Welt um ein schönes Stück vergrössert hat. Es gibt noch viele Orte am Bodensee, die ich unbedingt besuchen möchte. Ich war nämlich noch nie in Konstanz oder auf der Insel Mainau oder in Reichenau ...
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