Einreisestopp für Europäer – Trump spielt das Blame-Game
Der US-Präsident hat sich wegen des Coronavirus in einer Ansprache an sein Volk gewandt. Und verkündete eine drastische Massnahme.
US-Präsident Donald Trump wirkt nicht gerade wie jemand, der weiss, was er tut, als er seine knapp neunminütige Fernsehansprache an die Nation beginnt. Er sitzt an seinem «Resolute Desk» im Oval Office, die Hände gefaltet, atmet schwer, verschluckt manche Silbe. Dieser Auftritt ist so gar nicht in seinem Sinne. Seit Wochen versucht er die Coronavirus-Krise kleinzureden. Noch vergangene Woche prophezeite er, die knapp 15 damals bekannten Fälle würden bald verschwunden sein. Es sei alles doch wohl kaum schlimmer als die normale Grippe. Eine Impfung stehe schon bald zur Verfügung. Manche gingen gar noch arbeiten mit dem Coronavirus. Wozu also die Aufregung?

Das war alles natürlich nicht einmal zur Hälfte richtig. Das Virus verhält sich in den USA nicht anders als im Rest der Welt. Die Fallzahlen nehmen erst langsam zu, dann schiessen sie in die Höhe. Exponentielles Wachstum eben. Derzeit sind in den USA über 1200 Fälle und bald 40 Tote gemeldet. Jetzt an diesem Abend im Oval Office scheint Trump endlich begriffen zu haben, dass er mit der Schönrednerei der vergangenen Wochen nicht mehr durchkommt. Das Virus rufe eine «schreckliche Infektion» hervor, sagt er jetzt. Und wer krank sei, solle dringend zu Hause bleiben. Im Fall von Trump kommt das schon fast einer Einsicht gleich.
Nun zur wohl weitreichendsten Entscheidung seiner Regierung: Ab Freitag werden für zunächst 30 Tage alle Flüge aus Europa in die USA gestrichen. Ausgenommen ist Grossbritannien. Für US-Amerikaner, die sich haben testen lassen, soll es Ausnahmen geben.
Trump spielt weiter das Blame-Game: Für diesen drastischen Schritt macht er die Staaten der Europäischen Union verantwortlich. Die hätten zu wenig getan, um das Virus gar nicht erst ins Land zu lassen. Er lobt sich stattdessen dafür, früh schon Beschränkungen für Einreisen aus China erlassen zu haben. Das sei der Grund, warum es in den USA signifikant weniger Fälle gebe als in Europa. Explizit nennt er den Krankheitserreger ein «ausländisches Virus», als würde es mit einem Reisepass um die Welt wandern. Einem chinesischen natürlich. Da kommt es schliesslich her, stellt Trump fest.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat übrigens von derart strikten Reisebeschränkungen abgeraten. Die könnten «mehr Schaden anrichten als Gutes, weil sie den Informationsaustausch erschweren, die medizinische Versorgung behindern und die Ökonomie stark beeinträchtigen», twitterte WHO-Generaldirektor Tedros Adhanom Ghebreyesus bereits Ende Januar.
Trump verkündet eine Reihe weiterer Pläne: Kleinunternehmer sollen günstige Hilfskredite erhalten, wenn sie wegen des Virus in finanzielle Not kommen. Er will bald einen Notstand ausrufen. Das gibt ihm die Möglichkeit, unbürokratisch Geld in die Bekämpfung der ökonomischen Folgen zu stecken. Arbeitnehmer etwa, die wegen des Virus nicht zur Arbeit gehen können, sollen mit dem Geld finanziell entlastet werden. Die Steuerbehörde soll zudem in bestimmten Fällen verspätete Steuerzahlungen nicht bestrafen. Und die Krankenkassen sollen die Kosten für Coronavirus-Behandlungen übernehmen.

Kein Wort zu Schulen und Grossveranstaltungen
Wovon er aber nicht spricht: von den steigenden Fallzahlen. Und davon, wie diese sich voraussichtlich noch entwickeln werden. Er sagt auch nichts dazu, wie er denn das Virus in den USA eindämmen will. Er hat keinerlei Empfehlung abgegeben, ob etwa Grossveranstaltungen abgesagt oder Schulen geschlossen werden sollten. Immerhin empfiehlt er, dass Altersheime keinen privaten Besuch mehr zulassen und Ältere Menschenmengen meiden sollten.
Den Kampf gegen die schnelle Ausbreitung des Virus überlässt er damit einzig den lokalen Behörden. Und den Veranstaltern. Die Nationale Basketball-Liga (NBA) hat jetzt die Saison unterbrochen, weil einer ihrer Spieler positiv auf das Coronavirus getestet wurde. Trump erwähnt auch mit keiner Silbe die Rekordeinbrüche an den Börsen – für die manchen Analysten zufolge zum Teil auch Trumps verwirrende Reaktionen auf das Virus den Ausschlag gaben. «Wir haben keine Finanzkrise», sagt er. Als sei damit alles gesagt.
Stattdessen Durchhalteparolen von Trump: «Das Virus wird keine Chance haben gegen uns», sagt er. Keine Nation «sei besser vorbereitet» als die Vereinigten Staaten. Bisher allerdings kann die US-Regierung nicht einmal sagen, wie viele Menschen tatsächlich getestet worden sind. Experten schätzen, dass in den USA etwa 15 getestete Personen auf eine Million Einwohner kommen. In Südkorea dagegen seien es 4000 getestete Personen auf eine Million Einwohner. Der Gouverneur von New York State, Andrew Coumo, sagt es so: Es sei schlimm genug, dass die Bundesbehörden so wenig dazu beitrügen, die Krise zu bewältigen. «Aber sie sollen uns wenigstens nicht im Weg stehen.» Allein sein Staat verzeichnet bereits 200 Fälle.
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