Einstiger Glamour-Minister auf der Anklagebank
In Wien hat einer der grössten Korruptionsprozesse in der Geschichte Österreichs begonnen. Einer der 15 Angeklagten ist der frühere Finanzminister Karl-Heinz Grasser.

Es ist ein Medienspektakel. Österreichs Nachrichtenwebseiten wie etwa «Heute» berichten live aus dem Grossen Schwurgerichtssaal des Landesgerichts in Wien. Acht Jahre nach Beginn des Strafverfahrens hat heute Dienstagmorgen der sogenannte Buwog-Prozess begonnen, bei dem es um Untreue, Korruption und Amtsmissbrauch geht.
Das grosse öffentliche Interesse hat vor allem mit einem der 15 Angeklagten zu tun: Karl-Heinz Grasser, 48 Jahre alt, Finanzminister Österreichs von 2000 bis 2007, einst eine High-Society-Grösse mit seiner Gattin Fiona Swarovski, Erbin des gleichnamigen Kristallglasunternehmens. Grasser hatte in jungen Jahren nicht zuletzt dank FPÖ-Chef Jörg Haider eine Blitzkarriere als Politiker gemacht. Der Sunnyboy galt als Liebling der Nation. Nach seinem Rückzug aus der Politik stand KHG, wie er von manchen Medien bezeichnet wird, allerdings immer wieder im Fokus von Korruptionsaffären.
Mitkassiert bei Privatisierung von Staatswohnungen
Im Buwog-Prozess drohen nun Grasser und den 14 Mitbeschuldigten bis zu zehn Jahre Haft. Die Anklageschrift ist 825 Seiten lang. Sie wirft dem damaligen Finanzminister Grasser vor, im Jahr 2006 beim Verkauf von fast 60'000 staatlichen Wohnungen, sogenannten Bundeswohnungen (Buwog), einem privaten Investor den entscheidenden Tipp über die notwendige Höhe eines Kaufpreises gegeben zu haben, um einen Mitbieter auszustechen. Als Dank sollen rund 9,6 Millionen Euro – ein Prozent des Kaufpreises von 961 Millionen Euro – in die Taschen der Verdächtigen geflossen sein. Zwei mit Grasser befreundete Lobbyisten sollen die Millionenprovision über das US-Steuerparadies Delaware auf drei Konten in Liechtenstein geschickt haben.
Laut Anklage entschied Grasser beim Buwog-Deal, welcher Bieter den Zuschlag bekam. Und er hatte den «Tatplan für die parteiliche Entscheidung» entworfen. Weil Grasser als Minister an der Provision mitkassiert haben soll, wirft ihm die Staatsanwaltschaft auch noch Amtsmissbrauch vor. Grasser bestreitet sämtliche Vorwürfe. Seine Verteidiger, alles Spitzenanwälte, haben eine 617 Seiten lange «Gegenausführung zur Anklageschrift» beim Gericht eingereicht. In der Causa Buwog sollen 166 Zeugen befragt werden. Der Prozess gegen Grasser und 14 weitere Beschuldigte dürfte etwa ein Jahr dauern. Nach Angaben des Justizministeriums ist es das erste Mal, dass sich in Österreich eine Korruptionsanklage auf die aktive Zeit eines Ministers bezieht.

Die Verteidiger von KHG verlangen einen vollumfänglichen Freispruch. Schon vor dem Prozess beklagten sie eine Vorverurteilung in den Medien, wie die Zeitung «Standard» berichtete. Grassers Anwälte liessen ein Rechtsgutachten erstellen, das nach der Analyse von etwa tausend Medienbeiträgen zu einem klaren Schluss kommt: «Das ist Vorverurteilung bis zum Gehtnichtmehr. Wir meinen nicht, dass das Strafverfahren noch fair sein kann.» Einer der Gutachter war der deutsche Prominentenanwalt Ralf Höcker, dessen Dienste auch Jörg Kachelmann bei seinem Vergewaltigungsprozess in Anspruch genommen hatte.
Störmanöver der Verteidigung gegen das Gericht
Vor Monaten hatten Grassers Anwälte eine Beschwerde eingereicht, mit der die Zuständigkeit des Straflandesgerichts Wien infrage gestellt wurde. Erst am gestrigen Montag gab der oberste Gerichtshof seine Ablehnung der Beschwerde bekannt. Mit einem Störmanöver der Verteidigung begann heute der Buwog-Prozess: Sie stellte einen Ablehnungsantrag gegen die Richterin wegen angeblicher Befangenheit.
Zuvor hatte die Richterin die Beschuldigten zu ihren persönlichen Verhältnissen befragt. KHG gab zu Protokoll, dass er weder ein Haus noch ein Auto besitze. Er habe derzeit keinen Arbeitgeber, sagte Grasser weiter. Fragen zu Vermögen und Einkommen wollte der frühere Finanzminister nicht beantworten. Gemäss einem Bericht der Zeitung«Kurier» lebt Grasser mit Frau und Tochter in Kitzbühel. Die Familie Grasser bewohnt ein luxuriöses Anwesen, das Gattin Fiona Swarovski im letzten April für knapp 12 Millionen Euro kaufte.
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