Bundesgericht entscheidetElf Schüsse auf Mann mit Messer abgefeuert: Es war Notwehr
Hat ein Zürcher Polizist auf einen Fliehenden geschossen? Diese Version sei nicht zu beweisen, befand nun auch das Bundesgericht.

Es war Notwehr und keine versuchte Tötung, als ein Zürcher Stadtpolizist elf Mal auf einen Mann mit einem 25 Zentimeter langen Fleischermesser geschossen hat: Das Bundesgericht bestätigt mangels anderer Beweise die Freisprüche der Vorinstanzen.
Am 27. Dezember 2015 war ein akut psychotisch erkrankter Mann mit einem Messer in der Stadt Zürich die Birmensdorferstrasse entlanggelaufen. Als ihn Stadtpolizisten stoppen wollten, rannte der damals 42-jährige Äthiopier auf einen der Polizisten zu und rief «kill me, kill me».
Durch erste Schüsse liess sich der Mann nicht stoppen. Es kam zu einem Gerangel zwischen ihm und einem Polizisten. Der Polizist kam dabei zu Fall, der Mann mit dem Fleischermesser auf ihm zu liegen. Insgesamt elf Mal schoss der Polizist während der «sehr rasch ablaufenden Geschehnisse» gemäss des am Donnerstag veröffentlichten Urteils des Bundesgerichts.
Der Mann, der eine akut exazerbierte Schizophrenie zeigte und damit schuldunfähig ist, erlitt – unter anderem durch fünf Durchschüsse im Rumpfbereich und an den Armen teils lebensbedrohliche Verletzungen.
Drei späte Schüsse?
Die Staatsanwaltschaft, die zunächst kein Verfahren gegen den Polizisten einleiten wollte, erhob schliesslich auf eine Beschwerde des Messerangreifers und ein Urteil des Bundesgerichts hin doch Anklage. Diese stützte sich auf die Angaben des Verletzten: Drei Schüsse habe der Polizist auf ihn nicht in Notwehr abgegeben, sondern erst, als er sich schon abgewendet hatte und am Davonrennen war.
Für das Bundesgericht lässt sich diese Version aber nicht beweisen – es blieben damit Zweifel offen. Denn der vom Polizist vorgebrachte Ablauf bleibe auch plausibel. Es sprach ihn deshalb – wie bereits zuvor die Zürcher Bezirks- und Obergerichte – nach dem Grundsatz «in dubio pro reo» vom Vorwurf der versuchten Tötung frei.
Es bestehe zwar gemäss eines Gutachtens bei drei Schüssen die Möglichkeit, dass die Kugeln von hinten nach vorne durch den Körper des Mannes gedrungen seien, heisst es im Urteil. Aber je nach Körperhaltung – etwa bei einem Abdrehen des Armes – sei auch bei einer Schussabgabe von vorne eine Einschussstelle auf der Rückseite oder Aussenseite möglich.
Zudem verweist das Bundesgericht auch auf das Spurenbild sowie auf die Aussagen des weiteren beteiligten Polizisten und von drei neutralen Auskunftspersonen. Letztere gaben unter anderem an, zwischen den Schussabgaben keine längere Pause bemerkt zu haben. Eine solche wäre aber zu erwarten, wenn der Polizist erst nach dem Gerangel und Aufstehen auf den sich entfernenden Mann geschossen hätte, heisst es im Urteil.
SDA/lop
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