Film-Highlights der Woche«Elvis» ist am besten, wenn er ganz nahe beim King ist
Weitere Höhepunkte: Eine Satire über eine folgenschwere Grippe und ein Horrorthriller, der auf einer Story von Stephen Kings Sohn basiert.

«Elvis»
Biopic von Baz Luhrmann, USA/AUS 2022, 159 Min.
Baz Luhrmann hat, wie er selbst sagt, bei Milos Forman und «Amadeus» abgekupfert: Das Leben seines Titelhelden wird aus der Sicht des «Bösewichtes» erzählt. Bei Mozart handelte es sich um dessen Gegenspieler Salieri, bei Presley ist es der Manager Colonel Tom Parker.
Der Colonel gilt allgemein als rücksichtsloser Ausbeuter. Aber er sagt gleich zu Beginn: «Nein, ich habe Elvis nicht umgebracht. Ich habe ihn gemacht.» Und weil diese Figur von Tom Hanks mit seinem Image als «guter Onkel» gespielt wird, bleibt das Verhältnis zwischen den beiden facettenreich und ambivalent.
Das wahre Ereignis im neuen Film des «Moulin Rouge»-Regisseurs ist aber der Hauptdarsteller Austin Butler. Er verkörpert seinen «Elvis» mit Leib und Seele, von der wilden frühen Zeit bis zu den lähmenden Jahren, als ihn eben dieser Colonel in Las Vegas gefangen hielt. Wie Elvis dabei in einer Szene auf der Bühne ein sensationelles Comeback gibt, während der Manager im Publikum einen Teufelspakt unterschreibt, gehört zu den Höhepunkten des Films.
Baz Luhrmann hat viel in «Elvis» reingepackt. Manchmal entsteht das Gefühl, er hacke im rasanten Tempo Biografie-Eckpunkte ab, aber er macht dies originell: Die Hollywood-Jahre zum Beispiel werden im Schnelldurchlauf inhaltsgerecht als Schnulze erzählt. Aber am besten ist der Film, wenn er ganz nahe beim King verweilt: wie er singt, wie er mitreisst oder wie er, abseits der Bühne, einfach ins Leere blickt. (ml)
Abaton, Alba, Arena, Corso, Kosmos, Le Paris
«Petrov’s Flu»
Komödie von Kirill Serebrennikow, RUS/CH/F/D 2021, 145 Min.
Womöglich ist gerade nicht der beste Moment, um ins graue postsowjetische Russland einzutauchen, wo alle verrückt spielen. Dass die Mächtigen im Land dem Wahnsinn verfallen sind, wissen wir bereits aus den News. Anderseits hat Kirill Serebrennikow diesen wilden Kinoritt gedreht: Theater- und Filmemacher, zeitweilig unter Hausarrest gesetzter Regimegegner und Fürsprecher einer russischen Kultur, die nichts mit Putins Ideologie zu tun hat. Insofern wird es doch zur verstörenden Gaudi, wenn der Comiczeichner Petrov mit einem fürchterlichen Husten durch ein in jeder Hinsicht bankrottes Land stolpert, während seine Frau superheldenmässig gegen toxische Männlichkeit vorgeht. Ein surrealer Fiebertraum. Die gesellschaftliche Fäulnis äussert sich hier in Gewalt und Irrsinn, der Regisseur entfesselt seine Kunst mittels Plansequenzen und Fantastik. Aber Warnung: Dieses wütende Durcheinander muss man sich zutrauen. (blu)
Riffraff
«The Black Phone»
Horror von Scott Derrickson, USA 2022, 104 Min.
Im Grunde kennt man Ethan Hawke ja als Sympathieträger. Aber seit einiger Zeit zieht es den US-Star zu immer abgründigeren Figuren: In «The Black Phone» spielt der 51-Jährige einen Kindsentführer aus den Siebzigerjahren – meist unter einer Maske verborgen, aber gruselig ist das alleweil. Und schaurig schön, weil der Film eine so präzise Siebzigerjahre-Szenerie wiedergibt, wie man das im Horrorgenre nicht vermuten würde. Finney (Mason Thames) kann sich in feindlicher Umgebung – er kriegt Schläge vom Vater und den Schulkollegen – nur mit Mühe behaupten. Und dann wird er ein Opfer des «Greifers» (Hawke), der ihn in einen Keller sperrt, wo manchmal ein altes Wandtelefon klingelt. Ist das die Rettung? Und falls ja, wer ist eigentlich am anderen Ende der Leitung? (zas)
Abaton, Arena, Capitol, Kosmos
«Peaky Blinders»
Gangster-Serie von Steven Knight. GB 2022, 6 Staffeln
Am Ende der fünften Staffel lag Gangsterboss Thomas Shelby (Cillian Murphy) im Dreck und setzte sich die Pistole an die Schläfe. Mit diesem Bild beginnt auch die neue – und letzte – Staffel der von Netflix übernommenen BBC-Produktion. Tommy, wie Shelby von allen genannt wird, überlebt, aber alles deutet auf das Ende hin.
Weil die Schauspielerin Helen McCrory vor den Dreharbeiten starb, fehlt mit der Clan-Matriarchin Polly das Herz der Serie. Dennoch ist es Drehbuchautor Steven Knight gelungen, auch diesen Verlust würdig und dramaturgisch sinnvoll einzubauen. Es gibt wiederum zahlreiche Verwicklungen, es gibt Ausflüge bis in die USA, die Musik reisst mit – und alles treibt auf die Klimax zu. Das Ende vermag dann auch hartgesottene Peaky-Fans zu überraschen – ein finaler Höhepunkt einer grandiosen Serie. Und ja, ein Kinofilm soll noch folgen. (ml)
Auf Netflix
«Glory to the Queen»
Dokumentarfilm von Tatia Skhirtladze, A/Geor/Ser 2020, 82 Min.
Regisseurin Tatia Skhirtladze stammt aus Georgien, einem Land, das während des Kalten Kriegs gleich vier weltweit erfolgreiche Schachspielerinnen hervorbrachte – darunter Nona Gaprindaschwili, die 1978 als erste Frau den Grossmeistertitel erhielt. Skhirtladze hat das Quartett in einer Doku porträtiert. Das Kino Cameo zeigt ihren Film in der Reihe «Schachmatt», die Schach im Kino zum Thema hat. (ggs)
So 26.6., 11 Uhr/Di 12.7., 20.15 Uhr, Cameo, Lagerplatz 19, Winterthur
«A Clockwork Orange»
Science-Fiction von Stanley Kubrick, GB 1971, 139 Min.
Alex (Malcolm McDowell) begeht mit seinen Kumpels lauter Gewalttaten. Nach einem Mord landet er im Gefängnis, wo er sich für eine experimentelle Therapie meldet – durch Konditionierung soll er zum braven Bürger werden. Kubricks Film wurde seinerzeit derart kontrovers diskutiert, dass der Regisseur selbst Vorführungen in England untersagte. Erst nach seinem Tod 1999 konnte dort «A Clockwork Orange» gezeigt werden. (ggs)
Do 23.6., 19 Uhr, Arthouse Alba
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