«To Go Venti Latte Extra Hot.» Wenn Christian Fichter an der Theke des Starbucks seinen Kaffee genau nach seinen Wünschen bestellt, hat die Barista keine Chance, die üblichen Fragen abzuspulen. Der Forschungsleiter der privaten Kalaidos Fachhochschule in Zürich lässt sich selbst beim Kaffeehausbesuch wissenschaftlich anregen. Er hat beobachtet, dass die Verkaufsgespräche im Starbucks bis ins Detail vorgeschrieben sind. Die Einhaltung dieses Skripts wird kontrolliert. «Das macht die Baristas praktisch zu Robotern», sagt Fichter. Das werde sich zweifellos negativ auf die Motivation der Starbucks-Mitarbeiter auswirken – mit Folgen für Kundenzufriedenheit und letztlich für den Geschäftsgang.
Wenn Fichter mit Managern spricht, stellt er ein Misstrauen fest gegenüber menschlich-allzumenschlichen Faktoren der Unternehmensführung. In den Studiengängen für Betriebswirtschaft stehen Zahlen, Strategien und Konzepte im Mittelpunkt. Und dies, obwohl unter anderen der israelische Wirtschaftsnobelpreisträger Daniel Kahneman (ein Psychologe) und der Schweizer Vorreiter der Verhaltensökonomie, Ernst Fehr, den perfekt rational handelnden Homo oeconomicus längst entlarvt haben: Er ist ein ganz normaler Mensch, der sich von Launen, Ängsten, Kränkungen, Neid, purer Habgier und verzerrten Wahrnehmungen leiten – und oft leicht täuschen lässt.
Fichter (47) studierte Psychologie und Informatik in Zürich. Sein erster Job führte ihn in die IT-Branche. Die Berechenbarkeit von Computern aber faszinierte ihn schliesslich weniger als die Komplexität menschlichen Verhaltens. Heute leitet Fichter das Institut für Wirtschaftspsychologie an seiner Hochschule. Er interessiert sich dafür, wie sich Chefs, Angestellte, Investoren und Konsumenten im Wirtschaftsleben verhalten.
«Aktiönli und Kärtli und Bonüssli machen einfach mehr Spass.»
Zum Beispiel: All die Kundenkärtchen, Cumulus-Punkte, Loyalitätsprogramme, die uns Kunden Vorteile versprechen und uns bei der Stange halten sollen. «Das ist Schwachsinn, denn besser wären durchgängig tiefe Preise», sagt Fichter. Das werde zwar von vielen Konsumenten anders gesehen: «Denn Aktiönli und Kärtli und Bonüssli machen einfach mehr Spass.» Aber eigentlich sei doch die Aussicht wenig erhebend, sich am Ende des Lebens sagen zu müssen, man habe zusammengezählt Jahre mit der Schnäppchenjagd zugebracht.
«Psychologie sollte eigentlich an den Schulen gelehrt werden wie Lesen oder Rechnen», sagt Fichter. «Man muss doch wissen, wie der Mensch funktioniert.» Bei den Studierenden ist der Bedarf nach diesem Wissen gewachsen: Bei Kalaidos schrieben sich vor sechs Jahren noch 16 junge Leute für den Bachelor in Wirtschaftspsychologie ein, heute sind es über 90. Die Einsichten über die psychologischen Grundlagen des Wirtschaftsverhaltens gibt Fichter auch ausserhalb der Hochschule gern weiter, in einem Lehrbuch, bei Vorträgen. Und neu in einer monatlichen Kolumne auf Redaktion Tamedia.
Immun gegen Rabattkärtli ist Christian Fichter übrigens nicht. Bei Starbucks lässt er sich seinen Venti Latte gutschreiben. «Als Stammkunde wäre ich ja blöd, würde ich nicht davon profitieren.»
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Er beobachtet Roboter und Schnäppchenjäger
Der Wirtschaftspsychologe Christian Fichter erklärt, wie Chefs, Angestellte und Konsumenten ticken. Jetzt auch in einer Kolumne.