Er brachte den frischen Fisch in die Schweiz
Eduard Bianchi prägte die Schweizer Esskultur. Doch eigentlich träumte er von einer ganz anderen Karriere. Ein Nachruf.

Suchte man ein Synonym für frischen Fisch und Krustentiere, es würde Bianchi lauten. Genauer: Eduard Bianchi. Er hat das Comestibles-Geschäft seines Grossvaters zum landesweit wichtigsten Importeur von exquisiten Fängen aus See- und Meerwasser gemacht und damit ein Stück Schweizer Esskultur geprägt. Darüber hinaus war er ein Patron, der diesen Titel verdiente.
Ein Entscheid des Vaters besiegelte Eduard Bianchis Weg. Der bürgerliche Unternehmer Nino steckte den Sohn in die Handelsschule – wider dessen Willen. Er sollte Fischhändler werden und später seinen Laden an der Marktgasse übernehmen. Nicht studieren wie sein Bruder. Schon gar nicht seine Passion für Geige und Klavier zum Beruf machen und Dirigent werden.
Missglückte Lobster-Lieferung
Eduard Bianchi fügte sich. Vielleicht, weil er beim Landdienst-Einsatz erlebte, wie authentisch der Bauernberuf ist. Vielleicht prägte ihn die Offiziersschule, in der er «seine Anlagen in der Führung» entdeckt hatte, wie er in einem Interview mit «Salz & Pfeffer» sagte. 1948 trat er in das Familienunternehmen ein, ab 1974 führte er es in dritter Generation. Ohne das Wissen seines Vaters begann er, das Geschäft neu auszurichten. Statt Privatpersonen wollte er vermehrt die Gastronomie beliefern. «Ich habe die Entwicklung mitbestimmt, den Trend schneller erkannt», sagte er einmal.
Er war es auch, der im aargauischen Zufikon eine Metzgerei kaufte, falls es dem Unternehmen in der Zürcher Altstadt dereinst zu eng werden würde. 1995 schloss der Laden, seit 1999 wirtschaftet Bianchi nur noch von Zufikon aus und beschäftigt da 270 Mitarbeitende.

Zurückhaltend und bescheiden in der Art, war Eduard Bianchi dennoch ein Macher. Er selbst suchte etwa auf der ganzen Welt neue Zulieferer. So reiste er, als auf den Silvesterbuffets der namhaften Hotels die grossen Langusten gefragt waren, nach Irland, fuhr im Regen ohne Scheibenwischer über die Landstrassen zu John Murphy und vereinbarte mit ihm eine Lieferung auf den 30. Dezember. Doch dann lag an besagtem Tag Nebel in Zürich, das Flugzeug startete durch, flog zurück nach Dublin.
«Herr Edi»
Seine Mitarbeiter respektierten und schätzten Eduard Bianchi sehr. Er war mit allen per Sie, selber liess er sich mit «Herr Edi» ansprechen. Er verlangte von ihnen Disziplin und Leistung, pflegte aber gleichzeitig den persönlichen Kontakt – den Lohn zahlte er jeweils allen bar auf die Hand aus.
Für Probleme hatte Bianchi nicht nur ein offenes Ohr, er half auch. Oft war er von sich aus karitativ. So zum Beispiel bei jenem 19-jährigen Libanesen im Asylbewerberheim, dem er, ohne ihn zu kennen, 1989 einen Job anbot. Vor dem ersten Arbeitstag kaufte er ihm Kleider und schenkte ihm 800 Franken. Am ersten Zahltag stockte Bianchi den Lohn um 200 Franken auf. «Kaufen Sie sich etwas Schönes», sagte er. Noch heute arbeitet der Libanese im Unternehmen und trauert um «Herrn Edi».

Hochachtung zollten Bianchi auch die Partner und Kunden. Er machte alles, um sie zufriedenzustellen. Brauchte ein Hotel in den Bergen am Sonntag einen exquisiten Fisch, Bianchi lieferte ihn. Ein Nein kam für ihn nicht infrage. Aus Sicht von Paolo Bianchi war der Vater zuweilen fast zu lieb, zu wenig Unternehmer. «Aber wir haben von ihm gelernt, was ein echter Dienstleister ist.»
Die Nachfolge
Weitsicht bewies Eduard Bianchi auch bei der Nachfolgeregelung. Anfang der 80er-Jahre versammelte er seine vier Kinder und stellte sie vor die Wahl. Entweder übernehme einer, oder er verkaufe das Geschäft. Paolo sagte zu, aber nicht alleine. Der HSG-Absolvent Giulio, der eigentlich von New York aus die Welt erobern wollte, zog mit. Für eine Probezeit von ein, zwei Jahren.

1993 übernahmen die beiden Söhne die operative Führung von Bianchi, 1997 auch die Aktien. Der Verkaufspreis war ein Mittelwert zwischen der internen Einschätzung von Giulio und der eines externen Finanzberaters. Bis heute walten die beiden Bianchi-Brüder als Firmenchefs, die Cousins Dario und Luca werden den Betrieb in der fünften Generation übernehmen.
Eduard Bianchi hat den Weg, der ihm befohlen wurde, nie bereut. Wenn er das innere Feuer habe weitergeben können, erfülle ihn das. Der Musik aber ist er stets treu geblieben. Zweimal pro Woche besuchte er Konzerte in der Tonhalle. Nur in den Genuss des umgebauten Saals kommt er nicht mehr. Ende Mai ist Eduard Bianchi mit 90 Jahren nach kurzer Krankheit verstorben.
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