Er weiss nicht, wohin mit dem vielen Geld
Wegen der Negativzinsen will der Zürcher Finanzdirektor Ernst Stocker Geld möglichst schnell ausgeben – und er macht damit sogar Gewinne.

Der Wädenswiler Landwirt Ernst Stocker kennt sich nicht nur aus mit Traktoren, Kühen und Getreide, er hantiert auch jeden Tag mit riesigen Geldsummen. Seit gut drei Jahren ist der SVP-Regierungsrat Finanzdirektor des Kantons Zürich und damit Herr über ein 15-Milliarden-Budget, der zweitgrösste öffentliche Haushalt in der Schweiz neben dem Bund.
Den traditionellen Sommerspaziergang durch Dietikon, die aufstrebende Stadt im Limmattal, nutzte Stocker gestern, um einen Einblick in seine Arbeit mit dem Geld zu geben. Eine Arbeit, die derzeit Freude macht, denn die Steuern sprudeln, und auf den Finanzmärkten ist günstiges Geld im Umlauf. Doch das viele Geld stellt Stocker auch vor Herausforderungen, denn wer zu viel Geld hat, muss derzeit Negativzinsen zahlen. Darum sind die kantonalen Tresorerie-Fachleute darauf bedacht, dass nie zu viel Geld auf den Konten liegt.
Devise: «Schnell weg»
Im März zum Beispiel geht beim Kanton meist mehr Geld ein, als für das Bezahlen der Rechnungen und für die Löhne nötig wären. Es sind die Bundessteuern, welche der Kanton für den Bund einzieht. Früher liess man das Geld für etwas Zinsertrag noch die eine oder andere Woche auf den eigenen Konten liegen. Heute ist dies anders. Am 31. März 2018 gingen dieses Jahr rund 500 Millionen Franken ein. Bereits am 4. April wurden 800 Millionen Franken ausbezahlt, ein grosser Teil davon Bundessteuern, welche der Kanton an den Bund weiterleitete. «Für uns gilt im Moment die Devise, schnell weg mit dem Geld», sagte Stocker, «wir versuchen immer unter den Limiten zu bleiben, bei denen Negativzinsen anfallen.» Stocker räumt ein, dass das schnelle Weiterleiten des Geldes beim Bund nicht besonders gut ankomme, weil auch die Bundesverwaltung auf tiefe Kontostände bedacht sei.

Zum «Cash-Management» gehört allerdings auch, genügend Geld in der Kasse zu haben, wenn man welches braucht, etwa wenn die 42'000 Löhne bezahlt werden müssen. Deshalb müssen Stockers Fachleute am Finanzmarkt Ende Monat häufig Geld beschaffen. Dies tun sie über Staatsanleihen, Kassascheine, Darlehen und über Geld, das sie zu tagesaktuellen Konditionen am Finanzmarkt aufnehmen. Laut Stocker sind Finanzverbindlichkeiten mit kurzen Laufzeiten von einigen Monaten derzeit am attraktivsten, denn sie sind im Moment sogar rentabel, weil am Ende der Laufzeit nicht der ganze Betrag zurückbezahlt werden muss. Der Kanton kassiert quasi Negativzinsen. Mit dieser Art des Geldaufnehmens hat er letztes Jahr fast vier Millionen Franken «verdient».
Geld zum Nulltarif
Da der Kanton für die Gläubiger ein fast todsicherer Schuldner ist, bekommt er derzeit nicht nur kurzfristige Kredite zu traumhaften Konditionen. Am vergangenen 27. Juni liess Stocker eine Staatsanleihe mit einer Laufzeit von 7 Jahren zu einem Zins von 0,0 Prozent auflegen. Innerhalb von nur zwei Stunden waren 240 Millionen Franken zusammen, Geld, mit dem der Kanton nun während 7 Jahren zum Nulltarif arbeiten kann.
Attraktiv ist es für den Kanton derzeit auch, wenn er Staatsanleihen mit langen Laufzeiten zurückzahlen kann. So ist etwa im Januar 2020 eine Anleihe von 400 Millionen Franken fällig, für welche der Kanton einen Zins von 3,15 Prozent zahlt. Mit der Rückzahlung spart der Kanton jährliche Zinskosten von 9 bis 12 Millionen Franken.
Trendwende kostete Millionen mehr
Den umgekehrten Effekt hätte eine Trendwende im Zinsgeschäft. Laut Stocker müsste der Kanton bei einem Anstieg von einem Prozent rund 51 Millionen Franken mehr zahlen, was fast einem Steuerprozent entspricht.
Das gegenwärtige Tiefzinsumfeld könnte den Kanton dazu verleiten, Geld zu günstigen Konditionen aufzunehmen und es mit Gewinn weiterzuverleihen. Laut Stocker gibt es Gemeinden, welche dies bereits tun. Für den Bau eines Altersheims hat demnach eine Zürcher Gemeinde von einer anderen Geld angeboten bekommen. «So etwas machen wir nicht», sagte Stocker. Begründung: Dazu gibt es im Kanton Zürich weder einen Auftrag des Parlamentes noch eine gesetzliche Grundlage.
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