Erdogan-Vertrauter wird neuer Parteichef
Nach dem Rücktritt von Davutoglu hat die türkische Regierungspartei den ehemaligen Verkehrsminister Binali Yildirim zum Vorsitzenden gewählt.
Die türkische Regierungspartei AKP hat Verkehrsminister Binali Yildirim zu ihrem neuen Vorsitzenden gewählt. Der 60-Jährige erhielt auf einem Sonderparteitag 1405 der 1470 Delegiertenstimmen.
Er war der einzige Kandidat für den Posten und ist Nachfolger von Ministerpräsident Ahmet Davutoglu, den er auch an der Spitze der Regierung ablösen dürfte. Yildirim erklärte seine Ergebenheit gegenüber Parteigründer und Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan. Dieser will in der Türkei eine Präsidialverfassung einführen.
«Ihr Weg wird unser Weg sein»
Davutoglu hatte am 4. Mai wegen Differenzen mit Erdogan seinen Rücktritt als AKP- und Regierungschef angekündigt. Beobachter gehen davon aus, dass Davutoglu sich zurückzieht, weil er Erdogans Verfassungspläne nur halbherzig unterstützt. Ausserdem ist er zu Verhandlungen mit kurdischen Rebellen bereit, Erdogan dagegen nicht.
Davutoglu sagte den Delegierten, er gebe seinen Posten auf, um die Einheit der Partei zu wahren. Die gemeinsame Aufgabe stehe vor persönlichen Ambitionen. Wenige Stunden nach der Wahl reichte Ahmet Davutoglu seinen Rücktritt als Ministerpräsident ein. Davutoglu hatte nicht wieder als Parteichef kandidiert. Es wird erwartet, dass Yildirim jetzt auch Regierungschef wird. Bis zur Bildung eines neuen Kabinetts bleibt Davutoglu geschäftsführend im Amt.
Yildirim versprach, die von Erdogan geforderte Verfassungsänderung voranzutreiben. Die verfassungsrechtliche Situation solle an die tatsächlichen Umstände angepasst werden. Unter frenetischem Jubel und «Recep Tayyip Erdogan«-Rufen in der Ankara-Arena rief er: «Die Türkei braucht eine neue Verfassung. Seid Ihr bereit, die neue Verfassung, das Präsidialsystem einzuführen? Seid Ihr bereit?» Yildirim sagte, Erdogan sei «unser Anführer» und der «Architekt der erleuchteten Türkei». «Herr Präsident, wir versprechen Ihnen, dass Ihre Leidenschaft unsere Leidenschaft und Ihre Sache unsere Sache, Ihr Weg unser Weg sein wird», gelobte Yildirim.
Bislang hat der Staatspräsident überwiegend repräsentative Aufgaben, die politische Richtlinienkompetenz liegt beim Ministerpräsidenten.
Korruptionsvorwürfe gegen Yildirim
Erdogan erklärte in einer Botschaft an den Parteitag, das bisherige Regierungssystem sei «verdreht» und müsse geändert werden. Als die Botschaft verlesen wurde, erhoben sich die Delegierten. Yildirim hat sich mit Infrastrukturprojekten einen Namen gemacht, die die Konjunktur voranbrachten. Kritiker werfen ihm Korruption vor. Er selbst bestreitet dies.
Yildirim ist ein langjähriger Weggefährte von Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan. Er gilt als absolut loyal. Schon in den 1990er Jahren war Yildirim an der Seite des heutigen Staatspräsidenten. Damals war Erdogan Bürgermeister von Istanbul, Yildirim war der Chef der städtischen Fährgesellschaft Ido.
Der Mann für Prestigeprojekte
Der heute 60-Jährige folgte Erdogan in die Politik und gründete gemeinsam mit ihm und anderen Mitstreitern die islamisch orientierte AKP. Als die Partei 2002 an die Macht kam – die sie bis heute ununterbrochen innehat –, wurde Yildirim Verkehrsminister. Erdogan wurde bald danach Ministerpräsident und 2014 dann Staatschef.
Während andere AKP-Mitbegründer in der Bedeutungslosigkeit verschwanden, ging Yildrims Aufstieg an der Seite Erdogans weiter. Als Minister war Yildirim für mehrere Prestigeprojekte Erdogans verantwortlich.
Unter anderem für den Bau der Marmaray – einem Eisenbahntunnel unter dem Bosporus, der 2013 eröffnet wurde. Auch an der Verwirklichung eines anderen Traums von Erdogan war Yildirim massgeblich beteiligt: Dem Bau der dritten Brücke über den Bosporus.
Foto mit Ehefrau sorgte für Gespött
Das konservative Weltbild seines Präsidenten teilt der neue Parteichef. Auf Twitter machte ein Foto die Runde, das türkischen Medienberichten zufolge Yildirims Ehefrau Seniha alleine beim Essen zeigen soll, während Yildirim mit seinen männlichen Begleitern am Nachbartisch speist – und ihr keine Beachtung schenkt.
Für Gespött in sozialen Medien sorgte auch die Begründung für Yildirims Universitäts-Wahl, die er nach Medienberichten auf einer Absolventenfeier vortrug.
Auf ein Studium an der angesehenen Bosporus-Universität habe er demnach verzichtet, weil dort männliche und weibliche Studenten gemeinsam auf dem Rasen sassen. Sein Studium im Schiffbau absolvierte Yildirim stattdessen an der Technischen Universität in Istanbul. Er ist Vater von drei Kindern.
AFP/jros
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