Erdogan will sich Demonstranten «anhören»
Mit seiner angriffigen Rhetorik heizt Recep Tayyip Erdogan die Proteste in der Türkei zusätzlich an. Nun signalisiert der Ministerpräsident zum ersten Mal ein Entgegenkommen.
Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan trifft am Mittwoch mit Vertretern der seit elf Tagen andauernden Protesten gegen seine Regierung zusammen. «Sie werden über die Fakten informiert, und unser Ministerpräsident wird sich anhören, was sie zu sagen haben», teilte Erdogans Stellvertreter Bülent Arinc am Montagabend mit. Vertreter anderer Gruppen werde Erdogan zu einem anderen Zeitpunkt treffen, sagte Arinc, ohne nähere Angaben zu den Teilnehmern der Gespräche zu machen.
Arinc fügte hinzu, «die illegalen Demonstrationen» würden in der Türkei nicht länger toleriert. Weitere Angaben machte er nicht. Zentrum der Proteste ist der Taksim-Platz in Istanbul. Die Gruppe «Taksim Solidarität» hatte die Protestwelle mit entfacht, nachdem Polizeikräfte ihre Demonstration gegen ein Bauvorhaben der Regierung im Istanbuler Gezi-Park gewaltsam auflösten. Insgesamt gab es bei den Zusammenstössen mit der Polizei nach Angaben des türkischen Ärztebunds drei Todesopfer und fast 5000 Verletzte.
«Es sind diese Rhetorik und die Polizeigewalt»
Die Demonstranten wollen derweil weiter protestieren: «So lange Erdogan an seiner Rhetorik der Gewalt festhält, wird die Bewegung anhalten», sagte der Vertreter eines der Protestbündnisse, Akif Burak Atlar, am Montag in Istanbul. Der Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir sagte, in Erdogans eigenem Lager gebe es immer mehr Unzufriedene. «Es sind diese Rhetorik und die Polizeigewalt, die unsere Bewegung soweit gebracht haben», sagte Atlar vom Bündnis «Taksim Solidarität» mit Blick auf Erdogans Wortwahl bei Wahlkampfveranstaltungen am Sonntag. Die Gruppe «Taksim Solidarität» hatte die Protestwelle vor zehn Tagen mit entfacht, als ihr Protest gegen ein Bauvorhaben der Regierung im Istanbuler Gezi-Park von Polizeikräften aufgelöst wurde.
Der Taksim-Platz, das Zentrum des Protests, blieb am Montag zunächst ruhig. Viele der tausenden Demonstranten vom Wochenende gingen ihren üblichen Betätigungen nach. «Wir gehen jetzt zur Schule, kehren aber später am Tag zurück», sagte die 17-jährige Schülerin Ecem Yakin zu AFP. Schon seit einer Woche halten sich die Polizeikräfte von dem Protestlager fern.
Fast 5000 Verletzte
In der Hauptstadt Ankara kam es in der Nacht zu Montag die zweite Nacht in Folge zu schweren Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften. Insgesamt sind bei den Protesten nach Angaben des türkischen Ärztebunds fast 5000 Menschen verletzt worden. Drei Menschen kamen während der Unruhen ums Leben.
Erdogan wählte am Sonntag bei mehreren Reden vor jeweils tausenden Anhängern harsche Worte gegen die Demonstranten. In Ankara sagte der seit elf Jahren amtierende Regierungschef, seine Geduld sei endlich. «Wir sind geduldig geblieben, wir sind noch immer geduldig, aber es gibt eine Grenze für unsere Geduld.» Der 59-Jährige warnte, die Demonstranten hätten «einen Preis zu zahlen».
Özdemir sieht nach seiner Rückkehr aus der Türkei den Ministerpräsidenten angeschlagen. In Erdogans politischem Lager gebe es immer mehr Leute, die mit dem Führungsstil des Regierungschefs unzufrieden seien, sagte Özdemir am Montag dem RBB-Inforadio. «Erdogan erklärt alles zur Chefsache. Nur so kann doch die Frage, ob auf einem wichtigen Platz in einer Grossstadt ein Einkaufszentrum entsteht und ob dafür Bäume abgeholzt werden, zur Überlebensfrage des Ministerpräsidenten werden», sagte Özdemir.
AFP/mrs
Dieser Artikel wurde automatisch aus unserem alten Redaktionssystem auf unsere neue Website importiert. Falls Sie auf Darstellungsfehler stossen, bitten wir um Verständnis und einen Hinweis: community-feedback@tamedia.ch