Erlenbacher Seelsorgerin greift Brady Dougan an
In einem offenen Brief bezeichnet Gina Schibler die Credit-Suisse-Topbanker als Bankräuber und fordert: «Stoppt diesen Diebstahl!»
Erlenbach - «Dies ist der grösste Bankraub der Geschichte, stoppt diesen Diebstahl, demaskiert diese Götzen!» Diese Worte richtet die Erlenbacher Theologin und Präsidentin des Zürcher Pfarrvereins, Gina Schibler, an ihren Erlenbacher Mitbürger, CS-Chef Brady Dougan. Eines sei deutlich erkennbar, schreibt Schibler: «Es sind die Götter am Finanzhimmel, die hier oben sitzen. Männliche Götter übrigens. Götter erhalten keinen Lohn - man spendet ihnen Opfer.» Anlass für den Frontalangriff der Pfarrerin sind die Boni, die der CS-Chef und andere Topleute der Bank dieses Jahr erhalten: 90 Millionen Franken für Dougan, 3 Milliarden insgesamt. Eigentlich hätten «wir alle diese Boni verdient», schreibt Schibler. Schliesslich sei es die öffentliche Hand gewesen, die zuvor den Bankenplatz Schweiz gerettet habe.
«Sie leiden an Hochmut»
Der offene Brief, den Pfarrerin Schibler an die Medien verschickt hat, beruht auf einer Rede, die sie an der Generalversammlung der Grossbank Ende April vorgetragen hatte. Sie begründet ihr Engagement mit ihrer Abscheu gegenüber dem Bonus-System, welches das globale Wirtschaftssystem an den Rand des Abgrundes bringe. Man müsse die Kritik direkt bei denen anbringen, die das Ganze ausgelöst hätten. Diese Boni seien ein Raub am Erbe der Kinder, ein Tanz um das goldene Kalb in Reinkultur. Man müsse diese Götter entmythologisieren.
Eine Verknüpfung mit grünen Anliegen konnte sich Gina Schibler in ihrem Brief nicht verkneifen. Die Menschheit stehe vor der grössten Krise ihrer Geschichte, dem Klimawandel. Hier nimmt sie Bezug auf ein Thema, das sie auch als Buchautorin und Verfasserin zahlreicher Essays regelmässig aufgreift: Das Verhältnis zwischen drohendem Klimakollaps und der Finanzkrise. Diese hätte die Staatschefs dazu verführt, die Klimaziele «auf dem Altar der Bankensanierung» zu opfern.
Mensch, Mutter, Steuerzahlerin
Schibler beendet ihre Tirade gegen die CS-Führung mit den Worten: «Sie leiden am Übel der Selbstüberschätzung und des Hochmuts, dafür gibt es Heilung: Üben Sie Mass.» Der Applaus der Aktionäre habe sie darin bestätigt, richtig gehandelt zu haben, sagt sie. «Kommen Sie bitte wieder zurück in unsere Gemeinschaft», fordert Gina Schibler. «Merken Sie nicht auch, dass man Geld nicht essen kann? Sie, die Banker, sind keine Götter, sondern Menschen mit Fehlern und Stärken.» Sie habe diese Worte an die Banker in erster Linie als Mensch, Mutter und Steuerzahlerin verfasst, sagt Gina Schibler. Als CS-Aktionärin sei sie zudem direkt betroffen und als Mitglied einer ihrer Meinung nach gefährdeten Gemeinschaft - der Gesellschaft an sich - sowieso.
Als Pfarrerin ist sie überzeugt, dass sich die Kirchen in den vergangenen Jahrzehnten «allzu sehr auf Trost und Seelsorge» konzentriert hätten. Um Erlaubnis gefragt, ob sie ihre pointierten Aussagen so machen dürfe, hat die Seelsorgerin und Buchautorin niemanden. «Bei solch brisanten Themen darf man nicht aufs Maul sitzen.» Sie versuche regelmässig, auch die sozialkritischen Anliegen der reformierten Kirche aufzugreifen.
Nicolas Mori, Pressesprecher der reformierten Landeskirche, sagt über Gina Schibler, sie sei als engagierte Pfarrerin bekannt. Wie sie sich als Privatperson äussere, sei in erster Linie ihre eigene Sache. «An den Aussagen gegen die CS-Führung ist grundsätzlich nichts Ehrenrühriges», sagt Mori. Die politische Haltung von Frau Schibler in der Frage überhöhter Bonuszahlungen decke sich im Übrigen mit der Einschätzung der reformierten Landeskirche. Pfarrerin Gina Schibler in ihrer Kirche in Erlenbach. Foto: Daniel Kellenberger
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