Ermittler finden mögliches Tatfahrzeug
Wer hat Boris Nemzow getötet – und warum? Nach dem Mord am russischen Oppositionellen ist ein Kampf um Interpretationen im Gang.
Mehr als 24 Stunden nach dem Tod des russischen Oppositionellen Boris Nemzow gibt es wenige Fakten, dafür wird umso mehr spekuliert. Bekannt ist bis jetzt Folgendes:
- Der Mord an Nemzow war laut russischen Ermittlern «minutiös geplant». Der Tatort, eine Brücke in der Nähe des Kremls, sei sehr genau ausgewählt worden.
- Nemzow hatte mit einer Bekannten zu Abend gegessen und machte danach einen Spaziergang, als aus einem vorbeifahrenden, weissen Auto auf ihn geschossen wurde. Er wurde mehrmals am Rücken getroffen.
- Der oder die Täter nutzten laut den Ermittlern eine Makarow-Pistole, wie sie das russische Militär und die Polizei verwenden. Am Tatort wurden sechs Patronenhülsen verschiedener Hersteller gefunden.
- Ermittler vermuten das Tatfahrzeug gefunden zu haben. Laut Polizeiangaben feuerten Unbekannte aus einem weissen Pkw auf den Oppositionspolitiker. Er wurde viermal im Rücken getroffen. Laut Ermittlern stammt der verdächtige Wagen aus der Teilrepublik Inguschetien im Nordkaukasus.
Zu der Herkunft der Täter und ihrem Motiv weiss man noch nichts Konkretes. Der Kreml ermittelt nach eigenen Angaben in mehrere Richtungen. Folgende Motive kommen für ihn in Frage:
- Nemzow wurde von Islamisten getötet, weil er sich nach dem Anschlag auf das Pariser Satiremagazin «Charlie Hebdo» solidarisch mit den Franzosen gezeigt hatte. Laut den Ermittlungsbehörden in Moskau gab es gegen Nemzow seither Drohungen aus islamistischen Kreisen.
- Der Mord an Nemzow war eine Provokation, die zur «Destabilisierung der politischen Lage» in Russland und zu Misstrauen gegenüber dem Präsidenten Wladimir Putin führen soll. Als Täter kämen andere russische Oppositionelle oder westliche Geheimdienste in Frage.
- Nemzow machte unsaubere Geschäfte und wurde darum von persönlichen Feinden ermordet.
- Der Mord steht in Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine. Nemzow hatte im letzten Interview vor seinem Tod dessen sofortiges Ende gefordert. Putins Vorgehen im Konflikt mit dem Nachbarland sei auch für die schwere Wirtschaftskrise in Russland verantwortlich. «Die Sanktionen, dann die Kapitalflucht: all das wegen Putins unsinniger Aggression gegen die Ukraine.» In dem Interview wiederholte Nemzow auch den Vorwurf, Moskau unterstütze die prorussischen Separatisten in der Ostukraine mit eigenen Truppen, was der Kreml stets zurückgewiesen hat.
Während vor allem staatlich beeinflusste russische Medien diesen Argumentationslinien folgen, ist für Mitstreiter und Bekannte von Boris Nemzow klar: Sein Tod hatte mit keinem dieser Motive zu tun. Sie vermuten, dass Nemzow sein jahrelanger Kampf gegen den Kreml zum Verhängnis wurde.
Laut einem Bericht des «Spiegel» zeigt der Mord an Boris Nemzow, dass die kreml-nahen Akteure verstärkt die Sozialen Medien nutzen, um ihre Sicht der Dinge zu verbreiten. Schon wenige Stunden nach Nemzows Tod seien auf Twitter Hunderte automatische Konten – sogenannte Bot-Konten – aktiv geworden, die ohne menschliche Interaktion funktionieren. Sie verbreiteten alle dieselbe Nachricht: «Nemzow haben die Ukrainer umgebracht. Angeblich hat er irgendeinem Ukrainer die Freundin ausgespannt.»
Ban forderte rasche Aufklärung
UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon hat derweil eine schnelle Aufklärung der Tat gefordert. Die Täter müssten rasch zur Verantwortung gezogen werden, erklärte Ban.
Er sei schockiert und verurteile die Tat scharf. Er drückte «Herrn Nemzows Familie, Freunden und Unterstützern» sein tiefstes Beileid aus. Bans Erklärung war in weiten Teilen Standard, wie stets nach politischen Morden. Die Erwähnung der «Unterstützer» des Putin- Kritikers ist aber nach Ansicht von Beobachtern ungewöhnlich.
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