Erstaunlicherweise schützenswert
Alter und Schönheit spielen beim Denkmalschutz keine Rolle. Jüngstes Beispiel: Schwamendingens markantes Wahrzeichen.
Zehntausende von Menschen gehen oder fahren jeden Tag an diesem Haus vorbei, doch dürfte es nur die wenigsten so begeistern wie die städtische Denkmalpflege. Diese wiederum hat den Stadtrat entflammt, weshalb das Wohn- und Geschäftshaus an der Winterthurerstrasse 529–537 jetzt unter Schutz steht. Der Entscheid liegt seit Montag im Amt für Baubewilligungen auf.
Volumen, Höhe und filigrane Hauptfassade machen den Gebäudekomplex aus dem Jahr 1957 zum wichtigsten Gebäude des Zentrums Schwamendingen, steht in der Begründung. Nicht nur für Passanten, sondern auch für Durchreisende schiebe er sich unübersehbar ins Blickfeld. «Damit hat er die Qualität eines Wahrzeichens für diesen Stadtteil.»
Die optimistischen 50er-Jahre
Weiter wird die Baukunst gewürdigt: die Fassade mit zwölf Balkon- und Fensterachsen vertikal gegliedert, überlagert von einem weiss gemalten rechtwinkligen Netz, dazu die Flugdächer über dem Ladengeschoss und den Wohngeschossen, die der Fassade auch noch eine horizontale Richtung geben. Diese Architektur mit der kontrastreichen Bemalung und den charakteristischen Flugdächern verkörpert die «optimistische und verspielte Auffassung der frühen 1950er-Jahre und ist ein wichtiger Zeuge für die Geschichte des modernen Stadtquartiers Schwamendingen».
Auch ist das Haus für die Denkmalpflege ein wichtiger Vertreter der Zentrumsbauten, die im wirtschaftlichen Aufschwung der 1950er-Jahre in den Quartieren symbolhafte städtebauliche Akzente setzten. Vergleichbare Bauten sind die Überbauung Lindenplatz in Altstetten (1958), das Zentrum Meierhofplatz in Höngg (1962) oder das Zentrum Witikon (1970).
Zwischen 1940 und 1960 wuchs die Bevölkerung des einstigen Bauerndorfes Schwamendingen um das Siebenfache: von weniger als 5000 auf 35 000. Viele davon arbeiteten in den Fabriken von Oerlikon. Die wachsende Bevölkerung brauchte aber nicht nur Wohnungen, wofür in Schwamendingen zur Hauptsache Genossenschaften sorgten, sondern auch Läden und Treffpunkte. So enthielt das Haus Winterthurerstrasse 529–537 ein Lebensmittelgeschäft (LVZ), ein Kino und – bis heute – eine Pestalozzibibliothek. «Der Gebäudekomplex steht für den umfassenden Übergang von einer eher ruhigen dörflichen zu einer dynamischen und auch stressgeprägten Lebensweise in einem Zürcher Aussenquartier. Oder genauer ausgedrückt: Der Gebäudekomplex ist ein Botschafter dieses Übergangs.»
Sein Architekt ist Heinrich Oeschger (1901–1982). Von ihm stammen unter anderem das Schulhaus Kappeli in Altstetten oder das Flughafengebäude von 1953. Der Flughafen Kloten machte aus Oeschger einen international gefragten Fachmann für Flughafenbauten. Unter anderem war er in Paris-Orly tätig, London-Gatwick oder Rom-Fiumicino. Das hochgelobte Gebäude am Schwamendingerplatz gehört mehreren Privaten. Da das Grundstück weitgehend ausgenutzt ist, wäre das Ausbaupotenzial ohne Unterschutzstellung nur geringfügig höher als mit. Und weil im Innern wenig geschützt ist, fallen laut Stadtrat bei der Renovation keine zusätzlichen Kosten an. Deshalb betrachtet er die Schutzmassnahmen als verhältnismässig. Mehrkosten könnten bei den Schaufenstern entstehen. Doch sei bei diesen originalen Bauteilen das öffentliche Interesse am Erhalt höher als das private Interesse an einer günstigeren Renovation. Zum Vergleich: 2016 stellte die Stadt 23 Gebäude unter Schutz, was dem Schnitt der letzten Jahre entspricht.
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