Texte und Lieder von Michael FehrEs gibt kein Entkommen
Der Berner Autor lässt sich nicht festzurren und erinnert uns in seinem neuesten Projekt «super light» daran, dass der Mensch das grausigste Tier ist.

Ein Mann brät in der Pfanne eine Katze, die sich in seiner Wohnung verirrt hat. Pistolen schiessen in offene Münder hinter dem Bankschalter, ein Paar plündert ein Lebensmittelgeschäft. Einer fällt die hölzerne Treppe hinunter und schlägt mit dem Kopf auf steinernen Boden. Man geht die Wände hoch, klebt am Boden und trinkt Pastis. Für jemand anderen ist das Tagesgeschäft eine Flasche Bourbon.
All das geschieht in den auf das Kreatürlichste destillierten Texten von Michael Fehr. Wie ein Programmheft mutet es an, das postkartengrosse Büchlein «super light» mit 48 Seiten. Es sind die Miniaturen aus dem Bühnenprogramm des Berner Erzählers und Sängers Fehr mit dem Musiker Rico Baumann. Aber weder die Musik noch der geschriebene Text sind voneinander abhängig.
«gib mir dein futter bitte
sonst muss ich es mir holen kommen
Ich spucke dir in deine suppe ich schneide dir in dein fleisch ich schmeisse dich in deinen pool den du austrinken kannst
und nachher betoniere ich drüber ich meine nachher teere ich ich asphaltiere und mache einen grossen parkplatz für alle da wo du bis jetzt gewohnt hast»
Man möchte schreien und verstummen, man möchte tanzen und sich hinlegen. So unerbittlich uns Michael Fehr an unsere Begrenztheit und zutiefst menschliche Widersprüchlichkeit erinnert, so tröstlich fühlt sich der Raum an Möglichkeiten an. Immer kurz bevor man verzweifelt, stehen da Zeilen wie: «Ich habe ein herz wie ein spatz ich habe flügel ich bin immer oben mir geht es immer gut ich bin superleicht ich spüre mich nicht mehr.»
«super light» ist unerbittlich und von brachialer Zartheit und die Einladung, sich einzulassen aufs Leben, weil es so oder so kein Entkommen gibt.
Michael Fehr und Rico Baumann sind mit «super light» live am 4. Juni am Long Lake Festival in Lugano und am 26. Juni im Botanischen Garten in Bern.

Nora Zukker ist bei der Redaktion Tamedia für die Literatur verantwortlich. Davor arbeitete sie für Radio SRF mit dem Schwerpunkt Gegenwartsliteratur. Für das Ressort Leben schreibt sie zudem über gesellschaftsrelevante Themen.
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